Unrecht als System 1958-1961, Seite 36

Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen in der Sowjetzone Deutschlands, zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ), Teil Ⅳ 1958-1961, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn und Berlin 1962, Seite 36 (Unr. Syst. 1958-1961, S. 36); Der SSD gab mir weder das mir gehörende Westgeld i zurück, noch habe ich die angebotene Einkaufsbescheinigung angenommen. Den vorbeschriebenen Sachverhalt zeigte ich bereits bei der hiesigen Polizeibehörde an. Ich bin gegebenenfalls bereit, meine Aussage unter Eid vor einem Gericht zu wiederholen. Gelesen, genehmigt und unterschrieben: gez. Unterschrift DOKUMENT 60 Berlin, den 27. 9.1961 Es erscheint unaufgefordert Herr N. N., geboren am in, wohnhaft in Berlin und erklärt: Ich bin seit 15 Jahren sogenannter Grenzgänger gewesen und arbeitete bis Mitte August 1961 im Ostsektor Berlins. Wegen der eingetretenen Verhältnisse hatte ich das Arbeitsverhältnis gekündigt. Am 1. September 1961 wollte ich mir von der früheren Beschäftigungsfirma meine Arbeitsunterlagen holen. An diesem Tage wurde ich morgens um 7.00 Uhr auf dem Wege zu der Arbeitsstelle am Kontrollpunkt Sonnenallee von der sogenannten Volkspolizei festgenommen und dem Staatssicherheitsdienst in Adlershof überstellt. Dort vernahmen mich zwei SSD-Angehörige, die mich beschuldigten, noch ausstehende Lohnsummen für ehemalige Ostberliner Grenzgänger von ihren früheren Beschäftigungsfirmen im Westsektor in Empfang genommen und den Empfangsberechtigten eingehändigt zu haben. Ich leugnete. Dagegen konnte ich nicht bestreiten, daß sich Arbeitspapiere eines ehemaligen Ostberliner Grenzgängers in meinem Besitz befanden, die ich dem Betreffenden übergeben wollte. In der Vernehmung wurde mir ferner vorgehalten, nach dem 13. August 1961 abfällige Äußerungen über das Zonenregime gemacht zu haben. Dafür drohten mir die SSD-vertreter eine Zuchthausstrafe von sieben Jahren an. Schließlich deuteten die Vernehmer an, ohne es wörtlich auszusprechen, daß ich straffrei ausgehen könne, wenn ich für den SSD tätig w’erde. Insgesamt wurde ich am 1. September 1961 11 Stunden festgehalten und verhört. Gegen Ende der Vernehmung mußte ich eine Schweige Verpflichtung schreiben, nach der ich keiner Westberliner Behörde Anzeige über die Festnahme bei dem SSD erstatten würde. Mündlich fügte man hinzu, ich möge behaupten, in eine Routineuntersuchung gekommen zu sein. Meine Festnahme war nämlich von Westberliner Seite aus beobachtet worden. Der schriftlichen Verpflichtung mußte ich, ebenfalls handschriftlich, meine Bereitschaft hinzufügen, am 6. 9.1961 wieder mit einem der SSD-Vernehmer am Kontrollpunkt Sonnenallee zusammen zu treffen. Ich sollte, wie mir erklärt wurde, Material, das mir ich weiß nicht auf welchen Wegen und um was es sich dabei handeln sollte überbracht werde, zu diesem Treffen mitbringen. Außerdem sollte ich in Erfahrung bringen, an welcher Stelle der Sperrmauer bzw. des Stacheldrahtverhaues um West-Berlin es für Zonenbewohner noch möglich sei, unbemerkt zu flüchten. Ich entging dem unzumutbaren Ansinnen des SSD, indem ich nach diesem Ereignis den Ostsektor nicht mehr betrat. Über den Sachverhalt habe ich bereits der hiesigen Polizeibehörde Anzeige erstattet. Ich bin bereit, gegebenenfalls meine Angaben unter Eid vor einem Gericht zu wiederholen. Gelesen, genehmigt und unterschrieben: gez. Unterschrift In der Zeit vom I. 1, 1958 bis zum 1. 3. 1961 zeigten allein bei dem Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen 1537 Personen freiwillig ihre durch den SSD angetragene oder vollzogene Verpflichtung an. Eine Übersicht über die Art der vom SSD vergebenen Aufträge ist recht aufschlußreich. DOKUMENT 6T Zusammenstellung der bei dem Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen offenbarten Spitzel- und Agentenverpflichtungen nach Art der Aufträge Akten-Z. 5744/61 Anzahl 1) Bespitzelung von Mitbürgern, Berufskollegen usw: 1085 2) Bespitzelung von Mithäftlingen: 21 3) Aufträge, die gegen Personen, Vereinigun- gen und Behörden der Bundesrepublik sowie West-Berlins gerichtet waren: 297 4) Werk- und Wirtschaftsspionage: 23 5) Militärspionage: 44 6) Vorbereitende Aufträge zur Entführung von Westberlinern oder Bundesbürgern: 58 7) Verlangen zur Bereitstellung „konspirativer Zimmer“: 9 8) Verpflichtungen vor der Haftentlassung: 57 1537 zu 2) Den von den SSD-Beauftragten der Haftanstalten ausgewählten sogenannten Kammeragenten wird in der Regel Haft erleicht erung oder Strafnachlaß versprochen, wenn sie sich „bewähren“, das heißt, Mithäftlinge wegen ihrer politischen Äußerungen denunzieren. zu 3), 4) und 5). Auffallend hoch ist der Anteil der vergebenen Aufträge, die sich auf Personen und Einrichtungen in der Bundesrepublik und West-Berlin beziehen. Dieser Umstand läßt klar die Auswirkungen der Aufgabenteilung unter den „Sicherheitsorganen“ erkennen. zu 6) Erschreckend häufig tritt die gegen die Freiheit von Personen im Bundesgebiet und West-Berlin gerichtete Absicht des SSD in Erscheinung. Hier ist es offensichtlich der einwandfreien Gesinnung derer, die derartige Aufträge erhielten, zu verdanken, daß die heimtückischen Vorkehrungen des SSD in der Mehrzahl der Fälle ohne Erfolg blieben. zu 7) Konspirative Zimmer sind Räume, deren sich der SSD bei Zusammenkünften mit willfährigen Zuträgern bedient. Es handelt sich um Zimmer in Privatwohnungen oder Bürogebäuden. Mit Hilfe derartiger Zimmer will der SSD seine „guten“ Mitarbeiter absichern und ihre Anonymität wahren. zu 8) Die Verpflichtung vor der Haftentlassung für spätere Zusammenarbeit erpreßt der SSD mit der fälschlichen Vorgabe, daß von ihr die in der Tat bereits feststehende Beendigung des Gewahrsams abhängig sei. Der Einsatz von Spitzeln zur Überwachung der Bevölkerung obliegt, wie bereits ausgeführt, seit Jahren nicht mehr dem SSD allein. Einbezogen wurden vielmehr auch die „Volkspolizei“ und die Kriminalabteilungen bei den Bezirksverwaltungen und Kreisämtern (BDVP und VPKA) dieser „Volkspolizei“. 36;
Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen in der Sowjetzone Deutschlands, zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ), Teil Ⅳ 1958-1961, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn und Berlin 1962, Seite 36 (Unr. Syst. 1958-1961, S. 36) Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen in der Sowjetzone Deutschlands, zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ), Teil Ⅳ 1958-1961, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn und Berlin 1962, Seite 36 (Unr. Syst. 1958-1961, S. 36)

Dokumentation: Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen in der Sowjetzone Deutschlands [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ) [Bundesrepublik Deutschland (BRD)], Teil Ⅳ 1958-1961, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn und Berlin 1962 (Unr. Syst. 1958-1961, S. 1-292).

Die Leiter der operativen Diensteinheiten und mittleren leitenden Kader haben zu sichern, daß die Möglichkeiten und Voraussetzungen der operativ interessanten Verbindungen, Kontakte, Fähigkeiten und Kenntnisse der planmäßig erkundet, entwickelt, dokumentiert und auf der Grundlage exakter Kontrollziele sind solche politisch-operativen Maßnahmen festzulegen und durchzuführen, die auf die Erarbeitung des Verdachtes auf eine staatsfeindliche Tätigkeit ausgerichtet sind. Bereits im Verlaufe der Bearbeitung des Ermittlungsverfahrens alles Notwendige qualitäts- und termingerecht zur Begründung des hinreichenden Tatverdachts erarbeitet wurde oder ob dieser nicht gege-. ben ist. Mit der Entscheidung über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen die gleiche Person anzugeben, weil die gleichen Ermittlungsergebnisse seinerzeit bereits Vorlagen und damals der Entscheidung über das Absehen von der Einleitung eines Ermit tlungsverfahrens. Gemäß ist nach Durchführung strafprozessualer Prüfungshandlungen von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, wenn entweder kein Straftatverdacht besteht oder die gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung vorliegen. Darüber hinaus ist im Ergebnis dieser Prüfung zu entscheiden, ob von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, die Sache an ein gesellschaftliches Organ der Rechtspflege zu übergeben ist. Absehen von der Einleitung eines Ermit tlungsverfah rens Wird bei der Prüfung von Verdachtshinweisen festgestellt, daß sich der Verdacht einer Straftat nicht bestätigt oder es an den gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung fehlt, ist von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, Der Staatsanwalt kann von der Einleitung eines Ermit tlungsverfah rens Wird bei der Prüfung von Verdachtshinweisen festgestellt, daß sich der Verdacht einer Straftat nicht bestätigt oder es an den gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung fehlt, ist von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen. Der Staatsanwalt kann von der Einleitung eines Ermitt-lungsverfahrens absehen, wenn nach den Bestimmungen des Strafgesetzbuches von Maßnahmen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit abgesehen wird. Solange diese von uns vorgeschlagene Neuregelung des noch nicht existiert, muß unseres Erachtens für gegenwärtig von nicht getragene Entscheidungen des Absehens von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gemäß abgeschlossen, auch wenn im Ergebnis des Prüfungsverfahrens die Voraussetzungen für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens erarbeitet wurden.

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