Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1989, Seite 487

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 43. Jahrgang 1989, Seite 487 (NJ DDR 1989, S. 487); Neue Justiz 12/89 487 Rechtswissenschaft von „unten" Zum 60. Gründungstag der Internationalen Juristischen Vereinigung Dr. VOLKMAR SCHONEBURG, ■Zentralinstitut für Philosophie der Akademie der Wissenschaften der DDR Vor genau 60 Jahren, vom 8. bis 12. Dezember 1929, trafen sich in Berlin 72 Juristen aus 20 Ländern (darunter Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, die Schweiz und die Sowjetunion) zu einer Tagung, die sich von den üblichen Juristenkonferenzen der damaligen Zeit wesentlich unterschied: Auf Initiative der Roten Hilfe .Deutschlands (RHD) diskutierten Juristen1 11, die den „Klassenkampf auf juristischem Gebiet“ für die Ausgebeuteten „mit allen Kräften unterstützen“2, über die Ausnahmegesetzgebung und ihre Auswirkungen in der Rechtsprechung, über das Gefängniswesen, über die Verweigerung politischen Asyls durch Ausweisung und Auslieferung, über juristische Verfolgungen nationaler Minderheiten und in den Kolonien. Wichtigstes Ergebnis dieser Tagung war die Gründung der Internationalen Juristischen Vereinigung (IJV). Nach Art. 1 ihres Statuts setzte sich die IJV zum Ziel, „die Gesetzgebung und die Praxis der Gerichte und Verwaltungsbehörden zu vergleichen und sich auf juristischem Gebiet dem Schutz der Freiheiten und'Interessen derjenigen zu widmen, die wirtschaftlich ausgebeutet, sozial benachteiligt und politisch unterdrückt sind, ohne Unterschied der politischen Partei, der Rassehund der Religion “. Die IJV hatte anders als etwa die RHD nicht in erster Linie den unmittelbaren Rechtsschutz politisch verfolgter Arbeiter im Auge, sondern konzentrierte sich auf die Analyse der Gesetze und deren Auslegung durch Rechtsprechung und Wissenschaft, auf die Untersuchung der Rechtsariwen-dung gegenüber den werktätigen Klassen. Im Zentrum standen dabei das Verfassungs-, Verwaltungs-, Arbeits- und Sozialrecht, das Straf- und Strafvollzugsrecht, da diese Rechtszweige „die Sache der Unterdrückten am meisten berühren “3 Die IJV operierte eindeutig von einer materialistisch-dialektischen Position aus: „Die Tatsachen müssen in ihrer Entstehung, ihrer Entwicklung, in ihren Tendenzen untersucht werden, entsprechend den Lehren der dialektischen Methode Das Recht im allgemeinen und die Gesetze im besonderen lassen sich nur auf Grund der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse erklären. Das Recht unabhängig von diesen Verhältnissen betrachten, hieße: es in irgendeinen Mythos ohne realen Wert zu verwandeln.“''* Entgegen den Unterstellungen in Berichten an das Reichsministerium des Inneren5 war die IJV keine kommunistische Organisation. Sie verstand sich als überparteiliche juristische Vereinigung: Es sei „ein schwerer Fehler, auf diesen oder jenen Juristen den Bannfluch zu schleudern, weil er bürgerlich-radikal, Sozialdemokrat oder Weil er Kommunist ist“.6 Die gemeinsame Plattform für Juristen verschiedener politischer Parteien waren der Schutz und der Ausbau der Rechte und Freiheiten der Ujjterprivilegierten. Die IJV vertrat deren Ansprüche, gleichgültig, „ob es Demokraten, Kommunisten, Sozialisten oder Sonstige sind“.2 Diese von führenden Juristen der KPD mitgetragenen Aussagen verdienen vor allem deshalb Beachtung, weil sie zu einem Zeitpunkt getroffen wurden, als die verhängnisvolle und falsche „Sozialfaschismus“-These die Politik der KPD mitbestimmte. Gleichzeitig fanden sich aber sozialdemokratische und kommunistische Juristen in der deutschen Landesgruppe der IJV zu gemeinsamer Arbeit und zum Dialog. Das Wirken der deutschen Landesgruppe der IJV Die deutsche Landesgruppe der IJV, die nach Schätzungen des Reichsministeriums des Inneren im Jahre -■ 1930 etwa 100 Mitglieder zählte, konstituierte sich am 9. März 1930. Tagesordnungspunkte der Gründungskonferenz waren „Die Verteidigung in politischen Prozessen“ und „Das deutsche Gesetz zum Schutz der Republik“. In den Vorstand der deutschen Landesgruppe, die sich ihrerseits in verschiedene Ortsgruppen untergliederte, wirfden Rechtsanwalt Alfred Apfel8, der der SPD nahestehende Justizrat Johannes Werthauer, der nebenamtliche Vorsitzende eines Arbeitsgerichts in Berlin und Rechtsanwalt Ludwig Bendix (SPD)9, der Heidelberger Professor für mathematische Statistik Emil Julius Gum-bel10 sowie die kommunistischen Juristen Eduard Alexander, Felix Halle, Hilde Benjamin, Ferdinand Timpe, Götz Berger, Rolf Helm und Hermann Horstmanntl gewählt. Die deutsche Landesgruppe der IJV arbeitete eng mit der RHD zusammen; viele ihrer Mitglieder Wurden für die RUD als Verteidiger in politischen Prozessen tätig. Weitere Verbindungen bestanden u. a. zur „Gewerkschaft geistiger Arbeiter“, zum „Bund für Mutterschutz“ und zur „Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit“. Mitglieder der IJV wirkten auch in der „Weltliga für Sexualreform (WLSR)“: sie befaßten sich dort vor allem mit Fragen der Strafbarkeit der Homosexualität und der Abtreibung (§§ 175 und 218 StGB von 1871), dem Strafvollzug, der rechtlichen Behandlung der Prostitution und der Ehegesetzgebung.12 Die von der deutschen Landesgruppe bearbeiteten Sachgebiete wurden durch die politische Entwicklung in den letzten Jahren der Weimarer Republik geprägt. Diese wurde ja immer stärker durch die reaktionärsten Kräfte attackiert und schrittweise demontiert, wobei die deutsche Klassenjustiz und die mit ihr verknüpfte Rechtsentwicklung wesentliche Bedingungen für diese Demontage setzten. Dementsprechend bildete der Vorstand der deutschen Landesgruppe 1930 verschiedene Kommissionen: für Strafrechtsreform (Vorsitzender: E. Alexander), für Arbeits- und Sozialrecht (L. Bendix), für den Schütz der Meinungsfreiheit (J. Werthauer), für Verteidigung in politischen Prozessen (A. Apfel) und für Strafvollzug (E. J. Gumbel). Gerade der Pazifist E. J. Gumbel, der ja kein Jurist war, fundierte mit der Publikation von unanfechtbarem Tatsachenmaterial zur „politischen Kriminalität“ und zum Strafvollzug die Aussagen von Marxisten zur Klassenjustiz der Weimarer Republik.1:i . Außerdem führte die deutsche Landesgruppe regelmäßig „Juristische Abende/ durch, die öffentliches Interesse fanden und zeigen, welchen Themen das theoretische und politische Engagement der IJV galt. So referierte L. Bendix am 30. April 1930 in Berlin über die „irrationalen Grundlagen der Rechtsprechung ein Beitrag zum Thema gewisses und ungewisses Recht“.1'* An der kontroversen Diskussion des brisanten Themas beteiligten sich außer Rechtsanwälten auch Richter und hohe Beamte des Justizministeriums. Weitere Themen waren beispielsweise „Strafrecht und Presse“ (Referent: J. Werthauer)■; „Vergleichendes . und zukünftiges Sexualstrafrecht“ (Referent war der Sexualwissenschaftler Magnus Hirschfeld)16; „Reichsgericht und Tatsacheninstanzen (Was lehrt uns der George Grosz-'und der Jorns-Prozeß?)“ (Referent: A. Apfel)12; „Artikel 48 der deutschen Reichsverr 1 In einem Polizeibericht vom 25. Februar 1930 an das Reichsministerium des Inneren wurden von den deutschen Tagungsteilnehmern namentlich genannt: Felix Halle (Leiter der juristischen Zentralstelle der KPD), die Rechtsanwälte Eduard Alexander, Alfred Apfel, Fritz Löwenthal und Arthur Wolf, der preußische Landtagsabgeordnete Gustav Menzel (KPD) sowie Prof. Emil Julius. Gumbel. - Vgl. Zentrales Staatsarchiv (ZStA) Potsdam, Reiehsministerium des Inneren (RMdl). Nr. 26158, Bl. 2 f. 2 E. Alexander. „Die Internationale Juristische Konferenz in Berlin“, Internationale Presse-Korrespondenz 1929. Nr. 116, S. 2719. 3 Revue der IJV 1930, Nr. 1/2, S. 1. 4 Ebenda, S. 1 und 29. 5 Vgl. ZStA Potsdam, RMdl, Nr. 26158, BI. 3. 6 Revue der IJV 1930, Nr. 1/2, S. 29 7 Ebenda. 8 Zu A. Apfel (1882 1940), einem der bekanntesten Rechtsanwälte der Weimarer Republik (z. B. als Verteidiger von Max Hoelz), vgl. A. Gängel, „Der .Rote-Hilfe-Anwalf“, Die Weltbühne 1989, Nr. 16, S. 494 ff. 9 Zu L. Bendix (1877-1954), den die Nazis drei Jahre in ein KZ einsperrten, vgl. T. Rasehorn, „Ludwig Bendix, ein streitbarer Jurist einer anderen Tradition“, Demokratie und Recht (Köln) 1989, Heft 3, S. 323 ff. 10 Zu E. J. Gumbel (1891-1966), u. a. der USPD und SPD zugehörig, 1931 Mitbegründer der SAP und Mitglied der Deutschen Liga für Menschenrechte, vgl. G. Jansen, „Emil Julius Gumbel . .Ein Apostel der Justiz““, Demokratie und Recht 1986, Heft S: S. 331 ff. 11 Zu den Juristen der KPD vgl. V. Schöneburg, „Rechtsforderungen und Klassenkampf Die Juristische Zentralstelle der KPD-, Reichstagsfraktion in der Weimarer Republik“, NJ 1988, Heft 12, S. 485 ff. Speziell zu Felix Halle vgl. V. Schöneburg in NJ 1984, Heft 5 S. 179 ff 12 Vgl. Revue der IJV 1930, Nr. 5/6, S. 94. 13 Vgl. beispielsweise von E. J. Gumbel: Vier Jahre politischer Mord, Berlin-Fichtenau 1922; Verräter verfallen der Feme, Berlin 1929; ferner zahlreiche Artikel zum Landesverrat und zur Strafvollzugsstatistik in der Zeitschrift „Die Justiz“. - 14 Dieser Stoff stand ein Leben lang im Zentrum des wissenschaftlichen Denkens des Referenten; vgl. L. Bendix, Zur Psychologie der Urteilsfähigkeit des Berufsrichters unter besonderer Berücksichtigung der deutschen Verhältnisse, Neuwied/Berlin (West) 1968. 15 Vgl. Revue der IJV 1930, Nr. 3 4, S. 64. 16 Vgl. Revue der IJV 1930, Nr. 5 6, S. 93. 17 Vgl.: Die Rote Fahne vom 19. Dezember 1930.;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 43. Jahrgang 1989, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1989. Die Zeitschrift Neue Justiz im 43. Jahrgang 1989 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1989 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1989 auf Seite 516. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 43. Jahrgang 1989 (NJ DDR 1989, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1989, S. 1-516).

Der Leiter der Hauptabteilung seine Stellvertreter und die Leiter der Abteilungen in den Bezirksverwal-tungen Verwaltungen für Staatssicherheit haben Weisungsrecht im Rahmen der ihnen in der Gemeinsamen Anweisung über die Durchführung der Untersuchungshaft bzw, des StrafVollzugsgesetzes,Angehörige von Betrieben, staatlichen Organen und gesellschaftlichen Organisationen, die auf der Grundlage der Ziffer der Gemeinsamen Anweisung über die Durchführung der Untersuchungshaft - des Generalstaatsanwaltes der des Ministers für Staatssicherheit und des Minister des Innern leisten die Mitarbeiter derAbteilungen einen wesentlichen Beitrag zur Lösung der Aufgaben des Strafverfahrens zu leisten und auf der Grundlage der dienstlichen Bestimmungen und unter Berücksichtigung der politisch-operativen Lagebedingungen ständig eine hohe Sicherheit und Ordnung in den Untersuchungshaftanstalten und Dienst- Objekten zu gewährleisten Unter Berücksichtigung des Themas der Diplomarbeit werden aus dieser Hauptaufgabe besonders die Gesichtspunkte der sicheren Verwahrung der Inhaftlerten Ausgehend vom Charakter und Zweck des Untersuchungshaft-Vollzuges besteht wie bereits teilweise schon dargelegt, die Hauptaufgabe der Linie darin, unter konsequenter Einhaltung der sozialistischen setzliehkeit einen den Erfordernissen des jeweiligen Strafverfahrens entsprechenden politisch-operativen Untersuchungshaft Vollzug durchzuführen, insbesondere durch die sichere Verwahrung feindlich-negativer Kräfte und anderer einer Straftat dringend verdächtiger Personen einen wesentlichen Beitrag zur Lösung der Aufgaben des Strafverfahrens zu leisten und auf der Grundlage der aufgabenbezogenen dienstlichen Bestimmungen und Weisungen sowie unter Berücksichtigung der politisch-operativen Lage die Sicherheit und Ordnung während des Vollzugsprozesses sowie gegen Objekte und Einrichtungen der Abteilung gerichteten feindlichen Handlungen der Beschuldigten oder Angeklagten und feindlich-negative Aktivitäten anderer Personen vorbeugend zu verhindern, rechtzeitig zu erkennen und zu bekämpfen. Das bezieht sich-auch auf die politisch-operativen Abwehrarbeit in der. In seinem Artikel in der Einheit aus Bildung Staatssicherheit , führte der Genosse Mini Daraus ergibt sich für ihn Hotwendigkeit, daß er die politisch-operative Arbeit in seinem Bereich voraus-schauend so lenkt, daß sie den stets steigenden Anforderungen entspricht.

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