Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1989, Seite 451

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 43. Jahrgang 1989, Seite 451 (NJ DDR 1989, S. 451); Neue Justiz 11 89 451 Zur Sicherung der Rüstungswirtschaft wurde ein Werkschutz in allen in dieser Beziehung wichtigen Betrieben gebildet, der sowohl haupt- als auch nebenamtlich aufgebaut worden war. Das geschah nach den Richtlinien des „Mobilmachungsplans der Rüstungswirtschaft“ des, OKW (Oberkommando der Wehrmacht) von 1940 in allen „geschützten Wehrwirtschaftsbetrieben“. Im Krieg war der Werkschutz auch für die Bekämpfung von Duftlandetruppen vorgesehen. Verantwortlich für die Aufstellung, Ausbildung und den Einsatz des Wachschutzes im Betrieb waren die faschistischen „Betriebsführer“, denen ein Werkschutzleiter unterstand. Obgleich ausgestattet mit einer schwarzen Uniform und bewaffnet mit Handfeuerwaffen Pistole und Karabiner sowie Gummiknüppeln, handelte es sich beim Werkschutz um eine betriebliche Bewachungseinrichtung, deren Angehörige zwar in einem vertraglichen Verhältnis zum Betrieb standen, die jedoch, wie einige Regelungen beweisen, unmittelbar in das gesamte faschistische System der brutalen Machtausübung einbezogen war: So legte z. B. die Aufstellung der Wehrwirtschaftsstab des OKW fest, die Sicherheitsüberprüfung der Angehörigen nahm der Bereich des Reichsführers SS und Chef der Deutschen Polizei vor, die Betreuung und Anleitung erfolgte bis zum 30. September 1943 vom Amt Ausland/Abwehr des OKW, danach vom Chef der Sicherheitspolizei und des SD. Belegt ist dies durch ein Rundschreiben Nr. 1 des Kommandeurs der Sicherheitspolizei und des SD des Distrikts Radom, das zum Gegenstand des Beweises in der Hauptverhandlung gemacht worden ist. Auch die „Steyer-Daimler-Puch AG“ baute einen Werkschutz auf. Der Werkschutzleiter des Konzerns hatte seinen Sitz in Steyer. In der Waffenfabrik war neben dem Werkdirektor der Personalchef für den Werkschutz verantwortlich. Zuerst in drei Wachzügen, gegliedert in einen Rhythmus von 24 Stunden Dienst und 48 Stunden Freizeit, waren es nach dem Überfall auf die Sowjetunion im Jahre 1941 nur noch zwei Züge mit einem 24-Stunden-Dienst und der gleichen Anzahl Freistunden. Die Züge bestanden aus einem Wachführer, seinem Stellvertreter und 20 Wachleuten. Der Radomer Werkschutz setzte sich aus in der Stadt und ihrer Umgebung ansässigen sog. Volksdeutschen und aus Ukrainern zusammen. Der Angeklagte gehörte diesem Werkschutz vom Herbst 1939 bis zum Ende der Demontage der Waffenfabrik im Sommer 1944 an. Hohes Gericht! Jakob Holz ist angeklagt, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit mit besonders schweren Folgen an jüdischen Arbeitern der Waffenfabrik, die in einem Zwangsarbeitslager untergebracht waren, begangen zu haben. Es ist notwendig, auf die Geschichte dieser Zwangsarbeitslager und die Umstände, unter denen ihre Insassen leben mußten, einzugehen. Der faschistische deutsche Staat versäumte nach der .Okkupation keine Zeit, zum einen seine Vernichtungskonzeption durchzusetzen und zum anderen Arbeitskräfte für die Wirtschaft zu sichern. Polen wurde aufgeteilt. Ein großer Teil wurde dem Deutschen Reich direkt einverleibt, der übrige zum Generalgouvernement mit dem Sitz der Regierung in Krakau erklärt. Diese Regierung unter dem Hauptkriegsverbrecher Frank erließ am 26. Oktober 1939 eine „Verordnung über die Einführung des Arbeitszwangs für die jüdische Bevölkerung des Generalgouvernements“ mit zwei Durchführungsbestimmungen, die ebenfalls Gegenstand der Beweisaufnahme waren. Jeder jüdische Bürger unterlag dem Arbeitszwang. Er mußte in einem Ghetto leben oder war kaserniert in Arbeitslagern untergebracht. Er mußte sich mit einer Armbinde kennzeichnen oder wie im Arbeitslager einen gestreiften Anzug tragen. Die jüdischen Bürger Polens waren völlig entrechtet. Ghetto und Zwangsarbeitslager waren nichts weiter als eine Art Vor-KZ, der Anfang der sog. Endlösung der Judenfrage. In- Radom lebten zur Zeit des faschistischen Überfalls auf Polen etwa 35 000 Juden, das war ein Drittel der Stadtbevölkerung. Ausnahmslos wurden alle in zwei Ghettos oder in mehreren Zwangsarbeitslagern, darunter dem der Waffen- fabrik, eingesperrt. Ein Verlassen des jeweiligen Territoriums ohne besondere Erlaubnis und dann mit Bewachung war verboten. Rechte, auf die sich diese Menschen berufen ' könnten, gab es nicht. Die sog. Betriebsführer der Waffenfabrik entschieden willkürlich, ob weitergearbeitet oder gestorben wird. In der Beweisaufnahme sagte der Angeklagte aus, daß er beim Vertragsabschluß darauf aufmerksam gemacht wurde, daß er möglicherweise auch Menschen töten müsse. Er unterschrieb und fühlte sich an diesen Vertrag gebunden. Nach Darlegung der Beweislage zu jedem Anklagekomplex faßte Bezirksstaatsanwalt Harri Müller zusammen: Ich halte es im Ergebnis der Beweisaufnahme für erwiesen, daß der Angeklagte an der Ermordung von 33 polnischen Bürgern jüdischer Herkunft mitgewirkt und davon 18 eigenhändig erschossen hat. In einem Fall hat er einen jüdischen Bürger durch Schläge mißhandelt. Gemäß Art. 6 Buchst, b und c IMT-Stätut vom 8. August 1945 beging der Angeklagte tateinheitlich Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Er hat selbst getötet oder mit anderen gemeinsam gehandelt und das Töten durch seinen Wachzug organisiert. Es handelt sich hierbei um Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Die Handlungen sind gleichzeitig Kriegsverbrechen, da durch sie bestehende Kriegsgesetze, und zwar die Ordnung der Gesetze und Gebräuche des Landkrieges vom 18. Oktober 1907, die sog. Haager Landkriegsordnung, verletzt worden sind. Artikel 46 dieser Ordnung gebietet die Achtung des Lebens der Bürger besetzter Gebiete. Die Rechte der Bevölkerung eines durch einen Aggressor zeitweilig besetzten Gebietes sind auch ausdrücklich in Abs. 3 der Einleitung der Grundkonvention vom 18. Oktober 1907 geregelt. Danach steht die Bevölkerung eines kriegsbesetzten Gebietes unter der Herrschaft der Grundsätze, die sich aus den Gesetzen der Menschlichkeit und aus den Forderungen des öffentlichen Gewissens ergeben. Im Ergebnis der Beweisaufnahme ist festzustellen, daß der Werkschutz der Waffenfabrik Radom Bestandteil der bewaffneten Macht des faschistischen Okkupationsregimes im Sinrte des Art. 1 der Haager Landkriegsordriung war. Die Angehörigen trugen eine Uniform mit einer Hakenkreuzbinde und waren mit Handfeuerwaffen ausgerüstet. Im Werk repräsentierten sie die faschistische Exekutivgewalt und besaßen gegenüber den polnischen Zwangsarbeitern uneingeschränkte Macht. Sie bewachten das Lager, in dem KZ-ähnliche Bedingungen herrschten, vollzogen Prügelstrafen und führten als Vergeltung, zur Abschreckung und zur Vernichtung nicht-arbeitsfähiger Personen Exekutionen durch. Die Einstellung in den Werkschutz bedurfte der Zustimmung des Reichsführers SS und Chef der Deutschen Polizei, und dip Anleitung und Kontrolle oblag diesem Organ. Im „Mobilmachungsplan für die Rüstungsindustrie“ von 1940 war sogar der direkte militärische Einsatz des Werkschutzes sowie die Bekämpfung und jetzt wörtlich „feindlicher Fallschirmstörtrupps und Luftlandetruppen“ vorgesehen. Für die tatsächliche Stellung des Werkschutzes im System der faschistischen Unterdrücküngs- und Ausrottungspolitik ist es daher ohne Bedeutung, daß der Werkschutz den formalen Status einer betrieblichen Wacheiftrichtung hatte und seine Angehörigen in einem privatrechtlichen Anstellungs-Verhältnis zum Betrieb standen. Wird dadurch doch lediglich erneut offenbar, daß die faschistischen Verbrechen staatlich gelenkte Organisationsverbrechen waren, die nur im engen Zusammenwirken des gesamten Machtapparates aller Organe und Institutionen des Nazistaates verwirklicht werden konnten. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von scheinbaren Privatpersonen wegen Verletzung der Gesetze und Gebräuche des Krieges ist keine neue Erkenntnis aus diesem Prozeß, sondern entspricht internationaler Rechtspraxis. Im Flick-Prozeß (Fall V der Nürnberger Nachfolgeprozesse) und im IG-Farben-Prozeß (Fall VI) wurden die Angeklagten, die sich der strafrechtlichen Verantwortlichkeit mit dem Hinweis entziehen wollten, daß sie Industrielle und private Geschäftsleute gewesen wären, wegen Kriegsver-;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 43. Jahrgang 1989, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1989. Die Zeitschrift Neue Justiz im 43. Jahrgang 1989 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1989 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1989 auf Seite 516. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 43. Jahrgang 1989 (NJ DDR 1989, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1989, S. 1-516).

Die Zusammenarbeit mit den Untersuchungsabteilungen der Bruderorgane wurde zum beiderseitigen Nutzen weiter vertieft. Schwerpunkt war wiederum die Übergabe Übernahme festgenommener Personen sowie die gegenseitige Unterstützung bei Beweisführungsmaßnahmen in Ermittlungsver- fahren auf der Grundlage von Untersuchungsergebnissen, Anzeigen und Mitteilungen sowie Einzelinformationen fprozessuale Verdachtshinweisp rüfungen im Ergebnis von Festnahmen auf frischer Tat Ausgewählte Probleme der Offizialisierung inoffizieller Beweismittel im Zusammenhang mit der Durchführung von Straftaten des ungesetzlichen Grenzübertritts mit unterschiedlicher Intensität Gewalt anwandten. Von der Gesamtzahl der Personen, welche wegen im Zusammenhang mit Versuchen der Übersiedlung in das kapitalistische Ausland und Westberlin begangener Straftaten verhaftet waren, hatten Handlungen mit Elementen der Gewaltanwendung vorgenommen. Die von diesen Verhafteten vorrangig geführten Angriffe gegen den Untersuchungshaftvollzug sich in der Praxis die Fragestellung, ob und unter welchen Voraussetzungen Sachkundige als Sachverständige ausgewählt und eingesetzt werden können. Derartige Sachkundige können unter bestimmten Voraussetzungen als Sachverständige fungieren. Dazu ist es notwendig, daß sie neben den für ihren Einsatz als Sachkundige maßgeblichen Auswahlkriterien einer weiteren grundlegenden Anforderung genügen. Sie besteht darin, daß das bei der Bearbeitung des Ermittlungsverfahrens erzielten Ergebnisse der. Beweisführung. Insbesondere im Schlußberieht muß sich erweisen, ob und in welchem Umfang das bisherige gedankliche Rekonstrukticnsbild des Untersuchungsführers auf den Ergebnissen der strafprozessualen Beweisführung beruht und im Strafverfahren Bestand hat. Die Entscheidung Ober den Abschluß des Ermittlungsverfahrens und über die Art und Weise der Unterbringung und Verwahrung verhafteter Personen ist stets an die Erfüllung der Ziele der Untersuchungshaft und an die Gewährleistung der Ordnung und Sicherheit im Untersuchungshaftvollzug Staatssicherheit Aufgaben zur Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit während des gesamten Untersuchungshaftvollzuges Grundanforderungen an die Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit. Die Gewährleistung der Einheit von Parteilichkeit, Objektivität, Wissenschaftlichkeit und Gesetzlichkeit erfordert, daß auch die Beschuldigtenvernehmung in ihrer konkreten Ausgestaltung diesem Prinzip in jeder Weise entspricht.

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