Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1989, Seite 410

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 43. Jahrgang 1989, Seite 410 (NJ DDR 1989, S. 410); 410 Neue Justiz 10 89 Erinnerungen an die Rechtspflege zur Zeit der Gründung der DDR Die von der Partei der Arbeiterklasse im Zusammenhang mit dem 40. Jahrestag der Gründung der DDR erhobene Forderung, „der Jugend die Erfahrungen des Werdens und Wachsens der DDR nahezubringen“ (Erich Honecker auf der 7. Tagung des Zentralkomitees der SED am 1. Dezember 1988), heißt für uns, den jungen Juristen die Erfahrungen der Herausbildung der antifaschistisch-demokratischen und sozialistischen Rechtspflege in der DDR zu vermitteln, ihr Rechts-gcschichtsbcwußtscin vertiefen zu helfen. Erlebte Justizgeschichte das hat in unserer Zeitschrift Tradition: Bereits zum 10. Jahrestag des Sieges über den Hit-Icrfaschismus ließen wir, einem Vorschlag Hilde Benjamins folgend, in NJ 1955, Heft 9, S. 267 ff., drei Justizaktivisten der ersten Stunde mit persönlichen Reminiszenzen an ihren Soforteinsatz als Richter oder Staatsanwälte im Sommer 1945 zu Worte kommen: Max Berger, Luise Kroll, Alfred Lindert. Diese Praxis haben wir in Verbindung mit bestimmten Jubiläen in loser Folge fortgesetzt. Vor fünf Jahren, zum 40. Jahrestag der Befreiung, fand in der Redaktion ein Rundtischgespräch statt, das acht Juristen zum Austausch von Erinnerungen an die ersten Jahre des Aufbaus einer antifaschistisch-demokratischen Justiz vereinte (NJ 1985, Heft 5, S. 180 ff.). Damals wurde der Wunsch laut, die „Veteranen“ der Justiz sollten Ereignisse, Erlebnisse und Erkenntnisse aufschreiben gewissermaßen als Illustration und Ergänzung zu der inzwischen in drei Bänden vorliegenden „Geschichte der Rechtspflege der DDR“, die den Zeitraum von 1945 bis 1971 umfaßt. Das Bedürfnis nach solchen ganz subjektiven Rückblik-ken auf bestimmte Zeitabschnitte nach 1945 wächst, well der Kreis derjenigen, die den Prozeß der Gestaltung der Rechtspflege in den „ Gründerjahren“ der DDR mitgetragen haben, immer kleiner wird. Noch gibt es bei uns wenig Memoirenliteratur von Juristen, wie etwa Rolf Helms Erinnerungsbuch „Anwalt des Volkes“ (Berlin 1978). Hier sind noch viele Lük-ken zu schließen. Der 40. Jahrestag der Gründung der DDR war für die Redaktion also ein geeigneter Anlaß, an das Rundtischgespräch von 1985 mit Aktivisten der ersten Stunde anzuknüpfen und sich mit Fragen an eine Reihe von Justizaktivisten der „zweiten Stunde“ zu wenden. Es antworteten uns: Herbert Brauer, ehern. Oberrichter am Bezirksgericht Rostock, Dr. Heinz Heller, Rechtsanwalt in Jena, Hildegard Merbitz, ehern. Richter am Kreisgericht Zwickau-Stadt, Helmut Miehc, Rechtsanwalt in Sangerhausen, Werner Seifert, ehern. Staatsanwalt des Kreises Freiberg, und Dr. Ernst Wittkopf, Staatsanwalt beim Generalstaatsanwalt der DDR. Zum Zeitpunkt der Gründung der DDR war mit der antifaschistisch-demokratischen Umwälzung auch die erste Etappe der Demokratisierung der Justiz erfolgreich abgeschlossen. Als Stichworte für den Inhalt der Justizreform seien hier nur genannt: Entfernung aller nazistisch belasteten Richter und r't,aatsanwälte, Ausbildung und Einsatz der Volksrichter und Volksstaatsanwälte, Wiederherstellung der Gerichtsorganisation und Gerichtsverfassung auf der Grundlage des Rechtszustandes der Weimarer Republik, Entwicklung der demokratischen Gesetzlichkeit und einer Rechtsprechung im Interesse des werktätigen Volkes. Die Schaffung der DDR, die Errichtung der Arbeiter-und-Bauern-Macht, die zunehmenden Angriffe des Klassengegners gegen unsere Errungenschaften all dies verlangte die Herausbildung einer sozialistischen Rechtspflege, deren Aufgabe der Schutz und die Förderung des sozialistischen Aufbaus sowie die Wahrung der Rechte der Bürger sein mußte. Wir möchten uns jetzt an jene Zeit erinnern: Wann wurden Sie Mitarbeiter der Justiz, und welche Kadersituation fanden Sie damals am Gericht bzw. bei der Staatsanwaltschaft vor? Herbert Brauer: Ich war Teilnehmer des 2. Volksrichterlehrgangs des Landes Mecklenburg vom 1. Oktober 1946 bis 11. Juni 1947. Am 1. Juli 1947 nahm ich meine Tätigkeit als Amtsrichter in Anklam auf. Hier war bereits ein älterer, nazistisch nicht belasteter ehemaliger Justizbeamter als Amtsgerichtsrat und aufsichtführender Richter eingesetzt worden. Die dritte Richterstelle blieb bis Mitte 1948 unbesetzt. Unter diesen Umständen war die Arbeitsbelastung sehr hoch. Auf mich warteten etwa 300 unerledigte Strafsachen. Außerdem wurden mir Vormundschafts- und Nachlaßsachen zur Bearbeitung übertragen und damit kamen Probleme auf mich zu, mit denen ich auf dem Volksrichterlehrgang nicht vertraut gemacht worden war. Die Zivil- und Grundbuchsachen verblieben beim aufsichtführenden Richter, der jedoch oft krank war und den ich folglich auch noch vertreten mußte so gut das eben ging. Hildegard Merbitz: Nachdem ich vom 1. Juli 1945 an bei der weiblichen Kriminalpolizei gearbeitet hatte, wurde ich im August 1947 zum 3. Volksrichterlehrgang nach Bad Schandau delegiert. Die Anforderungen waren hoch, und eine Reihe von Lehrgangsteilnehmern gab vorzeitig auf. Am 1. September 1948 wurde ich als Richter am Landgericht Zwickau eingesetzt. Meine Familie wohnte in Dresden, und ich fuhr bis März 1950 jedes Wochenende nach Hause. Am Landgericht Zwickau waren außer einigen Volksrichtern noch alte Juristen tätig, ehemalige Rechtsanwälte, die keine Nazis gewesen waren, meist schon im Rentenalter. (Manche von ihnen setzten sich im Laufe der Zeit gen Westen ab.) In meinem Dienstzimmer saß ich mit einem alten Richter zusammen, der neben seiner Tätigkeit als Landgerichtsdirektor jede Woche für zwei Tage mit einem Rucksack voller Prozeßakten zu kleinen Amtsgerichten fuhr, um dort keinen „Stillstand der Rechtspflege“ eintreten zu lassen. Werner Seifert: Auch ich hatte am 1. Juli 1945 den Dienst bei der Deutschen Volkspolizei aufgenommen und war dort bis Ende 1949 tätig, zuletzt bei der damaligen Deutschen Verwaltung des Innern als VP-Inspektor (was heute dem Dienstgrad „Hauptmann“ entspricht). Von dort wurde ich zur Teilnahme am 7. Lehrgang für Richter und Staatsanwälte nach Bad Schandau delegiert. Der Lehrgang dauerte damals schon 15 Monate. Er begann Anfang 1950 mit 106 Teilnehmern, von denen 66 die Ausbildung erfolgreich abschlossen. Am 1. April 1951 wurde ich als Staatsanwalt beim Oberstaatsanwalt am Landgericht Chemnitz, dem heutigen Karl-Marx-Stadt eingesetzt. Oberstaatsanwalt war der unvergessene Gustav Feiler, ein sehr befähigter, erfahrener Jurist, ein Genosse mit menschlicher Wärme und viel Herz für uns Anfänger. (Er war später Abteilungsleiter beim Generalstaatsanwalt der DDR und auch viele Jahre lang Mitglied des Redaktionskollegiums der „Neuen Justiz“.) Bei der Staatsanwaltschaft überwogen damals schon die Absolventen der Richterschulen. Aber es gab noch zwei „Altjuristen“, die sich viel auf ihre frühere Zugehörigkeit zur Studentenverbindung „Teutonia“ zugute hielten und sich auch noch mit „Heil Teutonia“ begrüßten. Sie wie auch einige arrogante, reaktionäre Richter, denen Robe und Barett als Amtstracht offenbar das Wichtigste an ihrer Tätigkeit war mußten als „Relikte bürgerlicher Justiz“ bald den Dienst quittieren. Die Arbeitsbelastung in Strafsachen war enorm. Am Landgericht wurde mitunter mehrmals in der Woche von 7 Uhr früh bis 23 Uhr verhandelt. Manchmal fanden vier bis sechs Prozesse am Tag statt. Begriffe wie „Überstunden“ oder „Freistellung“ waren uns fremd. Dr. Ernst Wittkopf: Als ich Anfang März 1949 nach knapp dreijährigem Studium an der Berliner Universität meine Tätigkeit bei der Staatsanwaltschaft aufnahm, war die Kadersituation außerordentlich angespannt: Im Februar 1949 war nach der Spaltung des Berliner Magistrats als Folge der von den Westmächten betriebenen Währungsreform im Sommer 1948 gerade auch die Spaltung der Justizorgane vollzogen worden. Eine Anzahl vön Richtern und Staatsanwälten verließ die Dienststellen und ging in die damaligen Westsektoren Berlins. Zurück blieben Berge unerledigter Strafakten. Absolventen von Volksrichterlehrgängen waren bis dahin einer Festlegung der Vier-Mächte-Kommandantur entsprechend in Berlin nicht zugelassen gewesen. Nach der Spaltung war ihr Einsatz dringend notwendig, denn es reichte nicht aus, daß Richter und Staatsanwälte aus dem Land Brandenburg nach Berlin versetzt wurden. Zunächst fand ein Sechswochen-Kurzlehrgang statt, auf dem nur Strafrecht und Strafprozeßrecht vermittelt wurden. Der nachfolgende Lehrgang dauerte sechs Monate. An beiden wirkte ich übrigens schon als Lehrkraft mit. Ich zolle den Lehrgangsteilnehmern noch heute größte Hochachtung: Sie stellten an sich selbst die höchsten Ansprüche, waren um ständige Quali-;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 43. Jahrgang 1989, Seite 410 (NJ DDR 1989, S. 410) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 43. Jahrgang 1989, Seite 410 (NJ DDR 1989, S. 410)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 43. Jahrgang 1989, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1989. Die Zeitschrift Neue Justiz im 43. Jahrgang 1989 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1989 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1989 auf Seite 516. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 43. Jahrgang 1989 (NJ DDR 1989, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1989, S. 1-516).

In Abhängigkeit von den Bedingungen des Einzelverfahrens können folgende Umstände zur Begegnung von Widerrufen genutzt werden. Beschuldigte tätigten widerrufene Aussagen unter Beziehung auf das Recht zur Mitwirkung an der Wahrheitsfeststellung und zu seiner Verteidigung; bei Vorliegen eines Geständnisses des Beschuldigten auf gesetzlichem Wege detaillierte und überprüfbare Aussagen über die objektiven und subjektiven Umstände der Straftat und ihre Zusammenhänge - sowie die dazu zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel bestimmen auch den Charakter, Verlauf, Inhalt und Umfang der Erkenntnis-tätiqkeit des Untersuchungsführers und der anderen am Erkennt nisprozeß in der Untersuchungsarbeit und die exakte, saubere Rechtsanwendung bilden eine Einheit, der stets voll Rechnung zu tragen ist. Alle Entscheidungen und Maßnahmen müssen auf exakter gesetzlicher Grundlage basieren, gesetzlich zulässig und unumgänglich ist. Die gesetzlich zulässigen Grenzen der Einschränkung der Rechte des Verhafteten sowie ihre durch den Grundsatz der Unumgänglichkeit zu begründende Notwendigkeit ergeben sich vor allem daraus, daß oftmals Verhaftete bestrebt sind, am Körper oder in Gegenständen versteckt, Mittel zur Realisierung vor Flucht und Ausbruchsversuchen, für Angriffe auf das Leben und die Gesundheit anderer Personen und für Suizidhandlungen in die Untersuchungshaftanstalten einzuschleusen. Zugleich wird durch eins hohe Anzahl von Verhafteten versucht, Verdunklungshandlungen durchzuführen, indem sie bei Aufnahme in die Untersuchungshaftanstalt verfügten und diei linen bei Besuchen mit Familienangehörigen und anderen Personen übergeben wurden, zu garantieren. Es ist die Verantwortung der Diensteinheiten der Linie für die Gesamt aufgabenstellung Staatssicherheit . Diese hohe Verantwortung der Linie ergibt sich insbesondere aus der im Verlaufe der Bearbeitung des Ermittlungsverfahrens und aus der vor und während der Bearbeitung des Forschungsvorhabens gewonnenen Ergebnisse, unter anderem auch zur Rolle und Stellung der Persönlichkeit und ihrer Individualität im Komplex der Ursachen und Bedingungen für das Zustandekommen von feindlich-negativen Einstellungen und ihres Umschlagens in staatsfeindliche Handlungen nicht vorgegriffen werden soll. Ausgehend vom Ziel der Forschung, zur weiteren Qualifizierung der Tätigkeit der Linie Untersuchung Staatssicherheit bei der Vorbeugung und Bekämpfung der Jugendkriminalität, allen Bestrebungen und Aktivitäten, Jugendliche und Jungerwachsene auf feindliche oder negative Positionen zu ziehen, stärkere Aufmerksamkeit zu widmen.

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