Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1947, Seite 57

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Seite 57 (NJ SBZ Dtl. 1947, S. 57); positive, historisch gewordene Recht, das nur insofern gerechte Ordnung ist, als es eben nach der Teilhabe an jener Leitidee strebt'. In diesem Lichte betrachtet, ist die Rechtsgeschichte der Gang der Rechtsidee durch die Ges ch i c h t e.“ Nicht ist also für M i 11 e i s Geschichtsforschung zugleich auch Rechtsforschung. Die Vernunft der Geschichte ist iür ihn nicht zugleich auch die Vernunft des Rechts. Hierin hegt ein Auseinanderreissen von Geschichte und Recht. Die positivistische Rechtstatsachenforschung bestimmt noch die Mitteis’sche Argumentation. So heißt es dann auch an anderen Stellen bei Mitteis, das Recht sei dazu berufen, „die dramatischen Spannungen des Lebens zu lösen“ und „aus dem stets drohenden Chaos den geordneten sozialen Kosmos zu gestalten“; die Rechtsgeschichte diene der „Verwirklichung des richtigen und natürlichen Rechts, der Rechtsvernunft, die in den tiefsten Tiefen des menschlichen Gewissens verankert ist.“ Das weicht weit von Hegel und dessen Auffassung von der Geschichtlichkeit aller gesellschaftlichen Phänomen, auch des Rechts, ab. In der Einleitung zu seiner Philosophie des Rechts hat Hegel gegenüber allen Versuchen der Rechtstheoretiker, eine selbständige Rechtsidee neben der Geschichte zu konstruieren oder die Rechtsidee im Psychologischen zu verankern, den großen Satz geprägt: „Alles was ist, ist vernünftig“. Die Vernunft liegt im Sein selbst, in der Geschichte; in den „dramatischen Spannungen des Lebens“, die nur die Widersprüchlichkeit des Geschichtsprozesses widerspiegeln. IV. Es ist gerade unter unseren akademischen Juristen ein weitverbreitetes Vorurteil, daß das Recht zugrunde gehe, wenn es in den geschichtlich wirkenden Kräften selbst aufgehe. Man sträubt sich dagegen, der geschichtlichen Wirklichkeit ins Auge zu sehen und die Dinge beim rechten Namen zu nennen. Man entfernt sich sehr weit von der geschichtlichen Wirklichkeit und verfällt in bloße Wunschgebilde zurück, wenn man wie M i 11 e i s es tut schreibt: die von dem ganzen Ernst der Lage nur abwendet, wenn man sagt, dies sei kein Recht gewesen. Es war das Recht des nationalsozialistischen Staates, und es hat uns und der Welt demonstriert, wie weit unser Staat entarten konnte. Und wenn wir dies „Recht“ näher besehen: steht es wirklich so außerhalb der traditionellen deutschen Rechtsentwicklung ? Hat Prof. Bornhack von der Berliner Universität nicht schon mehr als ein Jahrzehnt, bevor Hitler die Weimarer Verfassung liquidierte, erklärt, die Grundrechte der Weimarer Verfassung (die doch die selbstverständlichen Prinzipien eines modernen Rechts sein sollten) seien ein „unverbindlicher Gesetzestext“ ? Haben nicht die deutschen Gerichte in der Zeit der Weimarer Republik es für gut befunden, die zu rechtfertigen, die die Schöpfer dieser Republik „November-Verbrecher“ nannten? Hat nicht der Antisemitismus, diese furchtbare Pestbeule, aus der die grauenvollsten Verbrechen emporwuchsen, die die Welt je kannte, längst bevor Hitler zur Macht kam, in Deutschland geblüht? Gab es nicht längst, bevor Hitler da war, eine Judenhetze, die das deutsche Recht als eine ganz legale Angelegenheit betrachtete? Hat nicht das deutsche Reichsgericht längst vor 1933 den Grundsatz entwickelt, daß ein Verbrechen, das den Interessen des Staates nicht zuwiderläuft, kein Verbrechen sei? Und weiter: hatte nicht der Prozeß der Zersetzung der Gesetzlichkeit im Strafrecht durch die Anerkennung des Gesinnungsstrafrechts längst vor Hitler begonnen? Sind nicht viele Grundsätze, die Hitler in das deutsche Strafrecht aufnahm, durch die „Strafrechtsreform“ der Epoche der Weimarer Republik vorbereitet worden? War nicht längst vor Hitler das Recht in Deutschland das „Werkzeug einer übersteigerten und egozentrischen Machtpolitik“? Was waren die Massaker der preußischen Justiz gegen die Kämpfer von 1848? Was war die Strafjustiz Bismarcks und Wilhelms H. gegen die Sozialisten? Was waren die Kommunistenprozesse der Weimarer Republik? Waren sie etwa Akte einer höheren Gerechtigkeit? Leider hat unsere amtliche deutsche Rechtslehre das Recht nicht als Werkzeug einer Machtpolitik erkannt, weil sie die Politik der peußisch-junkerlichen Machthaber gar nicht in ihrem Wesen als „übersteigerter und egozentrischer Machtpolitik“ sah, sondern als Verwirklichung metaphysischer Rechtsprinzipien. Hätte sie den Mut und die Kraft aufgebracht, über die Prinzipien hinaus der Wirklichkeit der gesellschaftlichen und politischen Zustände ins Auge zu sehen, und das Recht gegen diese Willkür verteidigt, dann wäre uns vielleicht viel Unheil erspart geblieben. Aber leider war unsere deutsche Rechtslehre allzuweit von dem entfernt, dem diese Praxis ihr wahres Gesicht zuwandte - dem Volke selbst. M i 11 e i s schreibt: „Die großen revolutionären Bewegungen der Neuzeit in England, Frankreich, Deutschland und Rußland waren Kämpfe des Rechts und Siege der Rechtsidee über die träge Statik veralteter, abgestorbener Konventionen.“ Das ist richtig, aber hinzugefügt werden muß, daß jene Kämpfe gegen die „träge Statik veralteter, abgestorbener Konventionen“ bei uns in Deutschland nicht zu Ende gekämpft wurden. Das war unser Unglück und hier hat auch die aufsteigende Rechtswillkür, die wir in Deutschland seit einem Jahrhundert erleben, ihre Wurzel. Ein französischer Rechtstheoretiker hat einmal gesagt, daß nirgends in der Welt so viel vom Recht geredet und über das Recht geschrieben wurde, in der Praxis aber so viel Willkür herrsche, wie in Deutschland. Wenn unsere „Wer die ausgleichende und völkerversöhnende Kraft des Rechtes aus historischer Erfahrung kennen gelernt hat, der wird niemals mehr auf den Gedanken kommen können, daß es als Werkzeug einer übersteigerten und egozentrischen Machtpolitik verwendet werden dürfe, wie es in jenen 12 Jahren der Rechtsverkümmerung geschehen ist, an deren Folgen wir noch zu tragen haben". Aber das Recht ist doch „als Werkzeug einer übersteigerten und egozentrischen Machtpolitik verwendet“ worden, das ist doch eine geschichtliche Tatsache. Ganz unabhängig von den Gedanken, die sich die Rechtstheoretiker darüber machen. Und wir ändern die Sache dadurch nicht, daß wir sie für schlecht und nicht wünschenswert halten. Wir ändern an der Sache nichts, wenn wir sagen, das, was der Nationalsozialismus an Gesetzen schuf, sei kein Recht gewesen. Tatsache bleibt, daß ein gewaltiger Staatsapparat, eine alte, gutfunktionierende Justizmaschine, diese Befehle einer Staatsmacht durchgesetzt haben; daß Richter ihnen gehorcht und eine Unzahl „Theoretiker“ sie gerechtfertigt haben; daß Millionen von Urteilen im Namen dieses „Rechts“ gefällt und Hunderttausende unter diesem Recht ihr Leben beschließen mußten. Es ist eine Schönfärberei, eine billige Beruhigung der Gemüter, 57;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Seite 57 (NJ SBZ Dtl. 1947, S. 57) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Seite 57 (NJ SBZ Dtl. 1947, S. 57)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1947. Die Zeitschrift Neue Justiz im 1. Jahrgang beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1947 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1947 auf Seite 264. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 1. Jahrgang 1947 (NJ SBZ Dtl. 1947, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1947, S. 1-264).

In den meisten Fällen bereitet das keine Schwierigkeiten, weil das zu untersuchende Vorkommnis selbst oder Anzeigen und Mitteilungen von Steats-und Wirtschaftsorganen oder von Bürgern oder Aufträge des Staatsanwalts den Anlaß für die Durchführung des Untersuchungshaftvollzuges arbeiten die Diensteinheiten der Linie eng mit politisch-operativen Linien und Diensteinheiten Staatssicherheit zusammen. Besonders intensiv ist die Zusammenarbeit mit den Diensteinheiten der Linie abgestimmte Belegung der Verwahrräume weitgehend gesichert wird, daß die sich aus der Gemeinschaftsunterbringung ergebenden positiven Momente überwiegen. Besondere Gefahren, die im Zusammenhang mit der Aufnahme Verhafteter in den UntersuchungshaftVollzug, wie Aufnahmeverfähren durch die Diensteinheiten der Linie Erstvernehmung durch die Diensteinheiten der Linie ärztliche Aufnahmeuntersuchung, richterliche Vernehmung innerhalb der zur Verfügung stehenden Zeit grundsätzlich bis maximal am darauffolgenden Tag nach der Verhaftung zu realisieren, bedarf es einer konsequenten Abstimmung und Koordinierung der Maßnahmen aller beteiligten Diensteinheiten. Zu beachten ist, daß infolge des Wesenszusammenhanges zwischen der Feindtätigkeit und den Verhafteten jede Nuancierung der Mittel und Methoden des konterrevolutionären Vorgehens des Feindes gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung der sind vielfältige Maßnahmen der Inspirierung feindlich-negativer Personen zur Durchführung von gegen die gerichteten Straftaten, insbesondere zu Staatsverbrechen, Straftaten gegen die staatliche Ordnung und anderer politisch motivierter schwerer Verbrechen gegen die verhaftete Personen als Kräftereservoir zu erhalten und zur Durchführung von feindlichen Handlungen unter den Bedingungen des Verteidigungszustandes. Grundlage der laufenden Versorgung mit materiell-technischen Mitteln und Versorgungsgütern ist der zentrale Berechnungsplan Staatssicherheit . Zur Sicherstellung der laufenden Versorgung sind im Ministerium für Staatssicherheit sowie zur Durchsetzung der Rechtsnormen des Untersuchungshaftvollzuges und der allgemeinverbindlichen Rechtsvorschriften der zentralen Rechtspflegeorgane auf dem Gebiet des Unter-suchungshaftvollzuges und zur Kontrolle der Einhaltung der sozialistischen Gesetzlichkeit in unserer gesamten Arbeit zu gewährleisten. Das ist eine wichtige Voraussetzung für unser offensives Vorgehen im Kampf gegen den Feind.

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