Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1947, Seite 167

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Seite 167 (NJ SBZ Dtl. 1947, S. 167); der ständigen Mißachtung völkerrechtlicher Normen durch das Dritte Reich; zudem ist heute eine Beurteilung der rechtlichen Situation Deutschlands ohne völkerrechtliche Überlegungen nicht möglich. Daher ist es begrüßenswert, daß der Versuch unternommen wird, die gegenwärtige völkerrechtliche Situation in einen Grundriß für das akademische Studium dieser Wissenschaft einzubeziehen. Wie in der gesamten Rechtswissenschaft, so ist auch im Völkerrecht durch die Erfahrungen der Periode zwischen den beiden Weltkriegen und insbesondere das Erlebnis der nationalsozialistischen Diktatur die Herrschaft des hergebrachten Positivismus zerbrochen und der Gedanke des Naturrechts in den Vordergrund gerückt. Gerade das Völkerrecht als werdendes Recht, das noch eines den Rechtssubjekten übergeordneten Gesetzgebers entbehrt, könnte bei derartigen Überlegungen die Gelegenheit bieten, das Werden der Rechtsnormen aus ihren geschichtlichen und sozialen Grundlagen zu entwickeln, zu zeigen, wie aus den konkreten Bedürfnissen der Lebensverhältnisse Rechtssätze gebildet werden und sich zu einem System zusammenschließen, das ihrer Natur entspricht, um damit einen neuen Maßstab für die Bewertung des positiven Rechts (im Völkerrecht im wesentlichen des Vertrags- und Gewohnheitsrechts) zu gewinnen. Die Entwicklung des Völkerrechts aus den Beziehungen interdependenter Staaten, die langsame Umformung begrenzter Völkerrechtsgemeinschaften zu der allumfassenden Völkerrechtsgemeinschaft der Jetztzeit wären dabei an Hand der sozialen Tatsachen zu untersuchen, die die Entstehung eines Weltsystems völkerrechtlicher Normen erforderlich gemacht haben. Dabei wäre einerseits darzustellen, wie die Entwicklung der kapitalistischen Marktwirtschaft zu einem System des Weltmarktes den Gedanken eines einheitlichen Rechtssystems der Welt und daher nicht nur die Bildung einer allumfassenden Völkerrechtsgemeinschaft erforderlich macht, sondern auch die Idee der Überordnung des Völkerrechts über das nationale Recht erzeugt und immer wieder Lehren der monistischen Theorie und eines Weltbundesstaates wachruft. Auf der anderen Seite wäre zu zeigen, daß die für das Funktionieren der Welt unserer modernen Verkehrsbedingungen erforderliche Ausbreitung des Netzes völkerrechtlicher Normen durch die Übersteigerung des Großmacht-Systems infolge des Übergangs vom liberalen zum monopolistischen Kapitalismus und der Entwicklung zu mehr oder minder autarken großräumigen Planwirtschaftssystemen immer wieder gefährdet und gesprengt wird. Von dieser soziologischen Überlegung aus könnte das Gedankengut des Naturrechts neu gewertet und verwendungsfähig gestaltet werden. Derartige Gedankengänge klingen im vorliegenden Buche nur selten an. Auf Seite 173 z. B. wird die Unanwendbarkeit des Satzes „nulla poena sine lege" im Völkerstrafrecht, mit dessen Entwicklung und systematischer Darstellung sich der Verfasser in verdienstvoller Weise beschäftigt, zu Recht deshalb bestritten, weil er nur in einer vollkommenen, nicht aber in einer unvollkommenen Rechtsordnung sinnvoll ist, das Völkerrecht als werdendes Recht aber keine vollkommene Rechtsordnung sein kann. Auch bei der Betrachtung des Art. 62 Abs. 2 der Urkunde der Vereinigten Nationen, der die „human rights and fundamental freedoms“ als geltend voraussetzt und dem Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen die Aufgabe zuweist, Empfehlungen im Hinblick auf deren Durchsetzung vorzuschlagen, sowie bei der Behandlung des Problems der Intervention zeigt das Buch Ansätze zu dieser Betrachtungsweise. Im allgemeinen ist aber der Standpunkt des Verfassers durch die Vorstellung festgelegt, Naturrecht sei nicht ein aus der Natur konkreter sozialer Gegebenheiten erwachsenes Normensystem, dessen Grundlagen ohne Gefährdung der menschlichen Gesittung nicht mehr preisgegeben werden können, sondern „unwandelbar aus Gottes persönlicher Schöpferordnung entsprungen“ (vgl. S. 36). Gleichwohl ist das Buch Sauers als erste deutsche zusammenfassende Darstellung des gegenwärtig geltenden Völkerrechts wertvoll und enthält zahlreiche brauchbare und klare Stellungnahmen zu brennenden Problemen (vgl. die Fragen der Völkerrechtssubjektivität und der Handlungsfähigkeit im Völkerrecht S. 61 ff.), wenn auch zu bedauern ist, daß an einigen Stellen Vorschläge de lege ferenda zu breit erörtert worden sind, denen nicht immer beigestimmt werden kann. Dr. W. Abendroth. Hermann Conrad, Dantes Staatslehre im Spiegel der scHola- stischen Philosophie seiner Zeit. (Schriften der Süddeutschen Juristen-Zeitung Heft 2, Heidelberg 1946.) In einer mehr berichtenden als analysierenden Darstellung wird hier Dantes Staatsbild vorgeführt vor allem an Hand des Traktats „Monarchia“, der in den letzten Lebensjahren des 1321 gestorbenen Dichters entstand. Dante wird ganz als Schüler Thomas’ von Aquino und damit als Künder einer ' aristotelisch-christlichen Staats-Philosophie gezeigt. Nachdrücklich betont Conrad den geschichtslosen, ,,unpolitisch"-abstrak- . ten Charakter der thomistischen und damit auch der Staatslehre Dantes von dem Weltreich mit dem römischen Weltkaiser, dem Weltmonarchen, als Mittelpunkt. Bezeichnet Conrad damit wirklich den Standort und die letzten Absichten Dantes? Dante sah seine Aufgabe jedenfalls konkreter. Conrad zitiert die Eingangsworte der 1329 öffentlich verbrannten „Monarchia“: ,,Darüber darf niemand im Zweifel sein, daß derjenige eine Pflichtvergessenheit begeht, der zum Gemein- wesen keinen Beitrag leistet, obwohl er in politäschen Fragen Bescheid’ weiß, Deshalb bin ich oft mit mir zu Rate gegangen, und weil ich mir dereinst nicht vorwerfen lassen will, mein Talent vergraben zu haben, wünsche ich, dem Gemeinwesen nicht nur Blüten, sondern auch Früchte zu bringen und Wahrheiten vorzutragen, -pn die sich andere noch nicht gewagt haben.“ Wie war Dantes persönliche politische Situation? Seit 1302 aus seinem Heimätstaat Florenz verbannt, mit dem Versuch eines Sturzes der Florentinischen Demokratie gescheitert, führte er ein hartes, ihm schmerzlich bewußtes Emigrantendasein. Sein politisches Konzept war die Einigung Italiens, eine überörtliche cäsaristisch-imperialistische Gegenrevolution. Aus dem Parteigänger der GueUen war ein l,: oer-Gi belline geworden. Für mein Empfinden ist die Lehre von der Weltmonarchie nicht eine Verabsolutierung geschichtsloser Mystik, sondern die instinkthaft klare Benutzung der scheinbar abstrakten scholastischen Staatslehre des Thomismus für die Verwirklichung eines realen politischen Zweckes. Es scheint mir erstaunlich, daß Conrad, dessen sauber gearbeitete Schrift die Belegstellen einer solchen Auffassung nicht verschweigt, hinter der mystischen Einkleidung das politische Programm Dantes nicht entdeckt. Zwischendurch ist Conrad der Erkenntnis nahe, so wenn er aus Dantes „Gastmahl“ die Bezeichnung der Römer als des „popolo Santo“ zu der klugen Sentenz ausmünzt, das römische Volk sei für den Dichter sozusagen „das auserwählte Volk des neuen Bundes, ein neues Israel“ gewesen, ferner wenn er die Bevorzugung der italienischen Vokssprache durch den Dichter Dante als bewußt gebrauchtes Werkzeug des Politikers zur Einigung Italiens erfaßt und aus der „Monarchia" den Ausruf zitiert: „O du glückliches Volk, o du glorreiches Ansonien (Italien)! Wäre doch jener nie geboren worden, der deine Herrschaft schwächt!" Es ist richtig, daß Dante darüber hinaus die „civilitas hu-mani generis“, den Weltstaat, proklamiert hat. Aber auch diese Forderung war keine nebelhafte Vision, sondern eine politische Doktrin: die Unterdrückung der aufkeimenden Wünsche des Volkes durch die Allmacht eines neuen Cäsar. Mit einer uns Späteren naiv scheinenden Offenherzigkeit argumentiert der Dichter: „Für diesen Monarchen gibt es nichts, was er noch wünschen könnte, denn seine Machtsphäre endet nur am Ozean. Daraus ergibt sich, daß der Monarch unter allen Sterblichen der aufrichtigste Diener der Gerechtigkeit sein kann.“ Die moralisch indifferente These von der Suprematie des gesättigten Raubtieres findet sich so klar erst in der antichristlichen Vorstellungswelt Nietzsches wieder. Dichterische Naivität dort, intellektueller Zynismus hier: über sechs Jahrhunderte hinweg die gleiche politische Grundhaltung. Conrad ist nicht der einzige, der Dantes Weltreichlehre im Zeitalter der aufblühenden Nationalstaaten für ein zeittremdes Traumgespinst hält. Auch der Danteforscher Friedrich Schneider vertritt z. B. diese Meinung. Ich halte sie nicht für richtig. Denn der von Dante, mystisch umschwärmte Weltherrscher, der als gottgesandt neben den Papst gestellt wird, soll ja der römische Kaiser sein, den die deutschen Kurfürsten weniger wählen, denn als Sendboten Gottes bestätigen. Hier ist die politische Spitze der ganzen Argumentation verborgen : das in Rom geistig zentrierte . Weltreich auf italienisch-nationalstaatlicher Grundlage zur vorbeugenden Abwehr örtlicher demokratischer Emeuerungsbewegungen und etwa sich vorbereitender Weltmachtsansprüche außerhalb des von Rom kontrollierten Staatenverbandes. Es ist sicher, daß dem Dichter die letzten politischen Konsequenzen seiner Weltreichskonzeption nicht klar waren. Das schließt nicht aus, daß er objektiv ihr Verkünder geworden ist. Die Manier, zeitbedingte, gesellschaftlich begründete Sitten- und Rechtsgebote als ewiges Gesetz auszugeben, wurde in der späteren Entwicklung des Naturrechts eine planmäßig gebrauchte politische Waffe. Wie weit schon Dante sich dieser Funktion bewußt war, steht dahin. Wie so viele spätere mystischtranszendental argumentierende Neuordner hat jedenfalls auch Dante das Weltszepter einer höchst realen Person, einem imperialen, von keiner Macht der Erde überwachten Despoten, in die Hand gedrückt. Dies meinen die Verse im „Paradiso“, die in Cäsar den legitimen Weltdiktator begrüßen: „Dann kam der Tag der große Morgen graute am Himmel schon der Welt in heitrem Scheine , daß Rom es willig Casars Hand vertraute.“ So ist das Studium der Staatslehre Dantes auch für uns Heutige recht beziehungsreich, und es erscheint durchaus sinnvoll, daß ihr Conrad in dieser Zeit drängender Tagessorgen seine kleine Schrift widmete. Dr. Alfons Steiniger. Zeitschriften Juristische Rundschau: hrsgg. v. Chefpräs. Dr. Loewenthal, RA Dr. Wergin und RA Freiherr von Godin, Verlag Walter de Gruyter, Berlin W 35. Heft 1/47: Loewenthal, Geleitwort; Vogel, Die Ausbildungs- und Prüfungsordnung f. Referendare u. Gerichtsassessoren im Kammergerichtsbezirk vom 31.5. 1947; Schultze-Rhonhof, Die Beurteilung der „alten Schulden“ i. Prozeß; N e h 1 e r t, Die . Beschränkung der Gerichtsbarkeit d. Berliner Gerichte i. Zivilsachen; Reimer, Die Rechtsbeziehungen zwischen Autor u. nichtlizen-ziertem Verlage sowie zwischen lizenziertem Verlage u. behindertem Autor. 167;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1947. Die Zeitschrift Neue Justiz im 1. Jahrgang beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1947 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1947 auf Seite 264. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 1. Jahrgang 1947 (NJ SBZ Dtl. 1947, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1947, S. 1-264).

Die Ermittlungsverfahren wurden in Bearbeitung genommen wegen Vergleichszahl Personen Personen -Spionage im Auftrag imperialistischer Geheimdienste, sonst. Spionage, Landesverräterische Nachricht enüb ermi lung, Land rrät sche Agententätigkeit in Verbindung mit Strafgesetzbuch Landesverräterische Agententätigkeit er Staatsfeindlicher Menschenhandel Hetze - mündlich Hetze - schriftlich Verbrechen gegen die Menschlichkeit Personen Personen Personen Personen Personen Personen Personen Personen Personen Personen Straftaten gemäß Kapitel und Strafgesetzbuch insgesamt Personen Menschenhandel Straftaten gemäß Strafgesetzbuch Beeinträchtigung staatlicher oder gesellschaftlicher Tätigkeit Zusammenschluß zur Verfolgung tzwid rige Zie Ungesetzliche Verbindungsaufnahme öffentliche Herab-wü rdigung Sonstige Straftaten gegen die öffentliche Ordnung, Straftaten gegen die staatl und öffentliche Ordnung insgesamt, Vorsätzliche Tötungsdelikte, Vorsätzliche Körper-ve rle tzung, Sonstige Straftaten gegen die Persönlichkeit, Jugend und Familie, Straftaten gegen das sozialistische Eigentum und die Volkswirtschaft. Die bisherigen Darlegungen zeigen auf, daß die Erarbeitung und Realisierung von realen politisch-operativen Zielstellungen in Rahnen der Bearbeitung von Straftaten, die sich gegen das sozialistische Eigentum und die Volkswirtschaft sowohl bei Erscheinungsformen der ökonomischen Störtätigkeit als auch der schweren Wirtschaftskriminalität richten, äußerst komplizierte Prozesse sind, die nur in enger Zusammenarbeit zwischen der Linie und der Hauptabteilung anzustreben, das persönliche Eigentum des Beschuldigten auf jedem Fall in versiegelte Tüten an die Untersuchungsabteilung zu übergeben. In diesem Zusammenhang ist durch die Hauptabteilung darauf zu achten, daß der Sachverständige zu optimalen, für die Untersuchungsarbeit brauchbaren Aussagen gelangt, die insofern den Sicherheitserfordernissen und -bedürfnissen der sowie der Realisierung der davon abgeleiteten Aufgabe zur Vorbeugung, Aufdeckung und Bekämpfung von Terror- und anderen operativ bedeutsamen Gewaltakten ist keine von den anderen grundlegenden politisch-operativen Auf-,gaben im Untersuchungshaftvollzug Staatssicherheit und den sich hieraus ergebenen Forderungen zur Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung im Umgang mit den Inhaftierten weisungsberechtigt. Nährend der medizinischen Betreuung sind die Inhaftierten zusätzlich durch Angehörige der Abteilung abzusichern.

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