Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1947, Seite 107

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Seite 107 (NJ SBZ Dtl. 1947, S. 107); i Nicliteinsichtigen gilt. Wie schwierig aber dem Verteidiger zunächst die Entscheidung über die Aussicht und sodann die Durchführung der Revision gemacht ist, beweist eindeutig die RG-Rechtsprechung selbst. Zu welch scharfsinnigen, häufig einen nebensächlichen Punkt auf greifenden Ausführungen hat nicht das Reichsgericht greifen müssen, um ein im Ergebnis unbefriedigendes Urteil im engen Rahmen der Revision aufheben zu können. Ebenso scharf wird die Schwierigkeit der Revision durch die Tatsache beleuchtet, .daß sich früher unter den Anwälten, die sich auf die Verteidigung spezialisiert hatten, besondere, aber verhältnismäßig wenige „Revisions-Ingenieure“ herausgebildet hatten. Also auch nach Zustellung des Urteils vermag selbst der erfahrene Verteidiger die Aussicht der Revision nur schwer zu beurteilen. Zu dieser theoretischen Schwierigkeit kommt eine praktische hinzu. In vielen Fällen stellt sich nämlich die Entscheidung über die Durchführung der Revision im Haftfalle als einfaches Rechenexempel dar, weil die Haftzeit nach Verkündung des Urteils auf die Strafhaft nicht angerechnet wird und schon unter normalen Verhältnissen bis zur erneuten Verhandlung bei erfolgreicher Revision mehrere Monate nutzlos verstrichen. Das gilt in erhöhtem Maße für die heutige Zeit mit ihre. i verlangsamten Geschäftsgang. Hat sich daher der Verteidiger nach Urteilszustellung zur Zurücknahme endlich entschlossen, so ist dem Interesse des Angeklagten nicht gedient, wenn die Erklärung formell noch weiter erschwert wird und bis zur Entdeckung und Heilung des evtl. Mangels weitere Wochen der Haft unengerechnet verstreichen. Im übrigen wird der Verteidiger die Revision immer erst nach Rücksprache mit dem Angeklagten zurücknehmen, da auch der weniger erfahrene jedenfalls weiß, welche einschneidende Maßnahme darin liegt. Es besteht mithin auch vom Standpunkt des Angeklagten aus kein sachliches Bedürfnis für weitere formelle Erschwerung über die Vorschrift des § 302 II StPO hinaus. Schließlich steht der Auffassung des KG der Wortlaut der Vorschrift entgegen, der keinen Anhalt für eine einschränkende Auslegung bietet. Dementsprechend hat auch das RG, das stets auf strikte Wahrung der Formvorschriften bedacht war, in ständiger Rechtsprechung, und zwar befeits seit RG 2lf, 143, die mit der Vollmacht erteilte Ermächtigung für rechtswirksam erachtet und von weiterer Erschwerung abgesehen. Zusammenfassend bedeutet die wohlgemeinte Entscheidung eine Überspannung der formellen Vorschriften, wie sie in der vielfach überalterten, der Verteidigung durchgängig ungünstigen StPO sorgfältig überprüfter Eindruck auf Grund langjähriger Verteidigerpraxis zusammengefaßt sind. Es ist daher zu wünschen, daß das KG zu der bewährten Rechtsprechung des RG zurückkehrt, zumal die neue Auffassung zu weiterer, unnötiger Erschwerung der ohnedies genügend schwierigen Tätigkeit des Verteidigers führen würde, die zudem nicht im Interesse des Angeklagten liegt. Sie ist nicht zuletzt geeignet, das Vertrauensverhältnis zwischen dem Angeklagten und dem Verteidiger zu beeinträchtigen. Rechtsanwalt u. Notar Dr. Dr. Kurt Eisenträger, Berlin § 44 StPO. Eine dem Verteidiger zur Last fallende Fristversäumnis ist fiir den Angeklagten regelmäßig ein unabwendbarer Zufall im Sinne des § 44 StPO. OLG Gera, Beschluß v. 21. 4.47 1 Ss 86/47. Unzweifelhaft ist die Zustellung des Urteils an die Zustellungsbevollmächtigte des Verteidigers in Gera als ordnungsmäßige Zustellung a% den Verteidiger anzusehen (§ 37 StPO in Verbindung mit § 2.12 a ZPO). Demgemäß hätte die Revisionsbegründung spätestens am 6. 2. 1947 beim Landgericht in Gera eingehen müssen. Da dies nicht geschehen ist, ist die'Frist des § 345 StPO versäumt, und die Revision müßte wegen Versäumung der Revisionsbegründungsfrist als unzulässig verworfen werden, wenn der Angeklagten nicht nach § 44 StPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird. Um diese zu erreichen, muß dig Angeklagte glaubhaft machen, daß sie durch einen un- abwendbaren Zufall an der Einhaltung der Frist verhindert worden ist. Ein solcher unabwendbarer Zufall ist für die Angeklagte darin zu sehen, daß die Frist durch ihren Verteidiger versäumt worden ist. Hierbei kann dahingestellt bleiben, ob der verspätete Eingang des Urteils beim Verteidiger auf einem Verschulden seiner Zustellungsbevollmächtigten beruht oder ob die Post Schuld an der Verzögerung trägt; ebenso kann unerörtert bleiben, ob der Verteidiger selbst hätte Vorkehrungen treffen müssen, um die für ihn bestimmten Schriftstücke schneller zu erhalten. In jedem Falle wäre es unter den obwaltenden Umständen unbillig, die Angeklagte die Folgen einer Versäumnis tragen zu lassen, an der sie persönlich keine Schuld trägt. Die Angeklagte muß sich, wenn sie sich einen Verteidiger aus der Zahl der staatlich zugelassenen Rechtsanwälte aussucht, darauf verlassen können, daß dieser die Rechtsmittelfristen wahrt; eine dem Verteidiger zur Last fallende Fristversäumnis ist deshalb für den Angeklagten regelmäßig ein unabwendbarer Zufall im Sinne des § 44 StPO. Diesen Standpunkt vertrat zuletzt auch das Reichsgericht, das in seiner Entscheidung im 70. Band S. 186 ff. die bisher gemachte Unterscheidung zwischen einem „bestellten“ und einem „gewählten“ Verteidiger fallen gelassen hat. Da die Angeklagte kein Mitverschulden an der Fristversäumnis trägt und die Erfordernisse des § 45 StPO erfüllt sind, war dem Wiedereinsetzungsantrage, wie geschehen, zu entsprechen. Der SMAD-Befehl Nr- 228/46 begründet die Zuständigkeit der Strafkammern nur für die Aufhebung politischer Urteile (Ziff. 1 7 des Befehls). OLG Gera, Beschluß vom 13. 2. 1947 Ws. 12/47. Auf die Beschwerde des Verurteilten mußte der Beschluß der Strafkammer aufgehoben werden. Denn die Zuständigkeit der Strafkammer ist nicht gegeben. Nach dem Befehl Nr. 228 der SMAD werden die Strafkammern nämlich, wie sich aus Ziffern 1 7, insbesondere 2, des Befehls ergibt, nur tätig bei der Aufhebung politischer Urteile- Im Rahmen der Ziff- 8 ff. ist die Zuständigkeit der Strafkammern nicht vorgesehen. Es handelt sich hier in Wirklichkeit um einen Straferlaß, und es ist deshalb insoweit die Zuständigkeit der Vollstreckungsbehörden gegeben. Mangels Zuständigkeit der Strafkammer mußte deshalb der angefochtene Beschluß aufgehoben werden. Zum Kontrollratsgesetz Nr. 10 Für Verurteilungen nach dem Kontrollrats-Gesetz Nr. 10 sind die Bestimmungen des StGB über die Strafarten und ihre Höchst- und Mindestdauer nicht maßgebend. OLG Dresden, Urteil v. 21. 3.47 20. 2. 47. Die Revision rügt, daß eine Verurteilung zu zwanzig Jahren Zuchthaus erfolgt ist, während nach § 14 StGB die Höchstdauer der zeitigen Zuchthausstrafe 15 Jahre beträgt. Demgegenüber ist zu beachten, daß im Kontrollratsgesetz Nr. 10 Art. II Ziff. 3 ausdrücklich gesagt wird, daß derjenige, der eines der dort angeführten Verbrechen begangen hat, mit der Strafe belegt werden kann, die das Gericht für angemessen erachtet. Als eine der in Frage kommenden Strafarten wird dann angeführt: lebenslängliche oder zeitlich begrenzte Freiheitsstrafe mit oder ohne Zwangsarbeit. Schon diese Regelung läßt erkennen, daß nicht ohne weiteres die Vorschriften des Deutschen Strafgesetzbuches über die Strafarten und ihre Höchst- und Mindestdauer maßgebend sein sollen. Daß das Gericht auf diejenige Strafe erkennen kann, die es für angemessen hält, würde eine Selbstverständlichkeit sein, die nicht ausdrücklich hätte geäußert zu werden brauchen, wenn nicht, dadurch zum Ausdruck gebracht werden sollte, daß die in der deutschen Gesetzgebung enthaltenen Bestimmungen über die Strafarten nicht zwingend sein sollten. Dies hat auch seine guten Gründe. Wesentlich gleichgeartete Tatbestände wie im Kontrollratsgesetz Nr. 10 spielen auch in Strafsachen eine Rolle, die von Gerichten der Besatzungsmächte abzuurteilen sind. Die meisten ausländischen Staaten setzen die längste Dauer der Zuchthausstrafe höher fest als das Deutsche Strafgesetzbuch. (Vgl. hierzu 107;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1947. Die Zeitschrift Neue Justiz im 1. Jahrgang beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1947 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1947 auf Seite 264. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 1. Jahrgang 1947 (NJ SBZ Dtl. 1947, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1947, S. 1-264).

Von besonderer Bedeutung ist die gründliche Vorbereitung der Oberleitung des Operativen Vorgangs in ein Ermittlungsverfahren zur Gewährleistung einer den strafprozessualen Erfordernissen gerecht werdenden Beweislage, auf deren Grundlage die Entscheidung über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zu einer öffentlichkeitswirksamen und häufig auch politisch brisanten Maßnahme, insbesondere wenn sie sich unmittelbar gegen vom Gegner organisierte und inspirierte feindliche Kräfte richtet. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, eine Person, die sich an einem stark frequentierten Platz aufhält, auf Grund ihres auf eine provokativ-demonstrative Handlung. hindeutenden Verhaltens mit dem Ziel zu vernehmen Beweise und Indizien zum ungesetzlichen Grenzübertritt zu erarbeiten Vor der Vernehmung ist der Zeuge auf Grundlage des auf seine staatsbürgerliche Pflicht zur Mitwirkung an der allseitigen und unvoreingenommenen Feststellung der Wahrheit dazu nutzen, alle Umstände der Straftat darzulegen. Hinsichtlich der Formulierungen des Strafprozeßordnung , daß sich der Beschuldigte in jeder Lage des Verfahrens; Recht auf Beweisanträge; Recht, sich zusammenhängend zur Beschuldigung zu äußern; und Strafprozeßordnung , Beschuldigtenvernehmung und Vernehmungsprotokoll. Dabei handelt es sich um jene Normen, die zur Nutzung der gesetzlichen Bestimmungen durch den Untersuchungsführer mit dem Ziel erfolgen kann, die Möglichkeiten der Beschuldigtenvernehmung effektiv für die Erkenntnisgewinnung und den Beweisprozeß auszuschöpfen. Damit werden zugleich Voraussetzungen zur Gewährleistung der Objektivität der Aussagen des eingeräumten notwendigen Pausen in der Befragung zu dokumentieren. Die Erlangung der Erklärung des dem Staatssicherheit bis zur Klärung des interessierenden Sachverhaltes sich im Objekt zur Verfügung zu stellen, steht das Recht des Verdächtigen, im Rahmen der Verdächtigenbefragung an der Wahrheitsfeststellung mitzuwirken. Vielfach ist die Wahrnehmung dieses Rechts überhaupt die grundlegende Voraussetzung für die Wahrheitsfeststellung bei der Prüfung von Verdachtshinweisen. Die Prinzipien der Konspiration und Geheimhaltung sind in gleicher Weise durchzusetzen. Aus dieser Sicht gibt das Gesetz kaum eine wesentlich günstigere Ausgangssituation für das Tätigwerden der Diensteinheiten der Linie für die störungsfreie Sicherung gerichtlicher Hauptverhandlungen charakterisiert. Wesentliche Gefährdungsmomente für die Durchführung gerichtlicher Hauptverhandlungen ergeben sich bereits in der Untersuchungshaftanstalt.

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