Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1960, Seite 87

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 14. Jahrgang 1960, Seite 87 (NJ DDR 1960, S. 87); Oberstes Prinzip der Strafpolitik muß auch hier sein, daß der Einsatz des Strafrechts in höchstmöglichem Maße die sozialistische Entwicklung auf dem Lande zu fördern hat. Es ist daher nicht nur eine Frage der praktischen Unmöglichkeit, daß in solchen Fällen nicht alle Beteiligten bestraft werden können. Ein solches Vorgehen wäre für den sozialistischen Fortschritt auf dem Lande äußerst schädlich, denn es würde das Bündnis zwischen Arbeiterklasse und werktätigen Bauern in Gefahr bringen und die Sache des Sozialismus gefährden. Genauso falsch ist es aber wie es in der Praxis unserer Straforgane sehr häufig vorkommt vor solchen schwachen Kollektiven zu kapitulieren und auf die Anwendung strafrechtlicher Mittel überhaupt zu verzichten. Das führt dazu, den Kampf gegen die Kriminalität dem Selbstlauf zu äberlassen, also gegen die verbrecherischen Erscheinungen überhaupt nicht oder nur ungenügend vorzugehen. Eine solche Praxis bringt ein schematisches und undifferenziertes Herangehen an derartige Kriminalitätserscheinungen zum Ausdruck. Tatsache ist, daß nicht alle Menschen, die an solchen Handlungen beteiligt sind, in ihrem Bewußtsein, ihren Arbeitsleistungen gleich sind. Der Strafzwang muß sich hier gegen die negativen Elemente richten. Im Zusammenhang'mit deren Bestrafung und der Organisierung entsprechender Auseinandersetzungen in dem Kollektiv wird in diesem auch eine Differenzierung eintreten. Dieser Prozeß muß dazu führen, daß dlie negativen Elemente isoliert und die positiven (durchweg die Mehrheit) gegen diese mobilisiert werden. Das führt zu einem Aufschwung in der Entwicklung des gesamten Kollektivs, z. B. der Mitglieder einer LPG oder einer Brigade. Das für unser Strafrecht grundlegende Prinzip der Differenzierung ist also gerade für die Bekämpfung solcher Krimdnalitätserscheinungen von großer Bedeutung. Die Untersuchungen zu diesem Problemkreis zeigen deutlich die völlige Unzulänglichkeit ja Schädlichkeit aller bürgerlich-formalistischen Auffassungen vom sog. Legalitätsprinzip. Danach ist die Bestrafung abhängig von der formalen Übereinstimmung eines bestimmten Verhaltens mit dem Wortlaut des Tatbestandes der Strafrechtsnorm. Die Frage nach den gesellschaftlichen Zusammenhängen und dem Wesen der verbrecherischen Erscheinungen die für uns entscheidende Kriterien für die Bestrafung sind wird nicht gestellt. III Damit Strafrecht und Strafrechtsprechung ihrer Rolle bei der sozialistischen Umwälzung auf dem Lande voll gerecht werden können, ist es notwendig, sie in höchstem Maße gesellschaftlich wirksam zu machen. Das ist nicht nur die Frage der Auswertung des Verfahrens nach der Verurteilung. Wenn die Strafjustiz ein Instrument zur Führung der Werktätigen im Kampf gegen die Überwindung krimineller Erscheinungen sein soll, ist es vor allem notwendig, daß die Strafpolitik die richtige Linie verfolgt, d. h., daß sie bewußt darauf orientiert ist, den Volkswirtschaftsplan erfüllen und die sozialistische Entwicklung vorantreiben zu helfen und dabei auftretende Widersprüche und Hemmnisse zu beseitigen. Durch eine solche planmäßige und zielstrebige Tätigkeit der JStraforgane werden die Werktätigen auf die wahren Schwerpunkte der Kriminalität orientiert und aufgerufen, sie zu überwinden. Die Orientierung auf die Schwerpunkte und die richtige Auswahl der typischen Verfahren sind also die erste Voraussetzung für eine gesellschaftliche Wirksamkeit des Strafrechts im Sinne der Förderung des sozialistischen Aufbaus und der sozialistischen Erziehung der Menschen. Eine weitere entscheidende Voraussetzung für die aktive und umgestaltende Rolle des Strafrechts ist, daß in dem Strafverfahren die Zusammenhänge der Straftat, die ihr zugrunde liegenden Widersprüche, die sie begünstigenden Bedingungen und ihre Auswirkungen aufgedeckt und offen dargelegt werden. Wird das nicht getan oder werden solche Widersprüche sogar verschleiert, so kann das Strafverfahren kein Hebel gesellschaftlicher Veränderungen sein. In einem solchen Verfahren müssen sich Untersuchungsorgane, Staatsanwalt und Gericht notwendigerweise auf die Feststellung und Wiedergabe der begangenen Straftat beschränken. Die- ses Problem ist z. B. für die wirksame Bekämpfung von Staatsverleumdungen, die gegen die sozialistisphe Entwicklung des Dorfes gerichtet sind, von großer Bedeutung. Hier ist es doch vielfach so, daß die verleumderischen Äußerungen von Menschen gemacht werden, die gute Arbeitsleistungen und auch sonst eine positive Einstellung zu unseren sozialistischen Verhältnissen zeigen, die aber dem ideologischen Einfluß der reaktionären Kräfte des Dorfes erlegen sind und deshalb die Straftat begehen. Die Reaktionäre dagegen leisten eine unterirdische Wühlarbeit in Form von Flüsterpropaganda und hüten sich, an die Öffentlichkeit zutreten. Ein Strafverfahren gegen denjenigen, der die Äußerung macht, erfüllt seinen Zweck daher nur zum Teil, wenn in ihm nicht die unterirdische Tätigkeit der Reaktionäre ans Tageslicht gebracht wird. Das Strafrecht muß hier so eingesetzt werden, daß der Hauptschlag die verborgenen Reaktionäre und nicht ihr Werkzeug trifft. Dafür ein Beispiel: In der Strafsache S 19/59 des Kreisgerichts Pritzwalk wurde der Melker einer LPG wegen Staatsverleumdung zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr und vier Monaten Gefängnis verurteilt. Der Verurteilte ist 40 Jahre alt. Sein Vater war Grubenarbeiter. Er selbst erlernte den Beruf eines Melkers und arbeitete später als Kutscher in einer Schweinemästerei. Von 1953 bis 1956 verrichtete er seinen Dienst bei der Deutschen Volkspolizei, aus der er wegen einiger Verfehlungen entlassen wurde. Er gehört der SED an und bekleidete ein Jahr lang die Funktion des ersten Sekretärs einer Betriebsparteiorganisation. Im angetrunkenen Zustand nahm er an einer Sitzung des LPG-Vorstandes teil. Er beschimpfte dort den Vorstand und den Bürgermeister mit abfälligen, politisch diskriminierenden Worten. Er drohte damit, die Melker aus der Nachbargemeinde zu holen und mit deren Hilfe die nächste ' Vollversammlung zusammenzuschlagen. Diese Wiedergabe der Straftat, auf die sich das Gericht beschränkte, sagt über deren Wesen noch nichts aus. Es hätte hier erwähnt werden müssen, daß es in der betreffenden Gemeinde starke reaktionäre Kräfte gibt, die der LPG negativ gegenüberstehen und die tatsächlich vorhandenen starken Mängel in der Leitungstätigkeit des Bürgermeisters ausnutzen, um zwischen Staatsorgane und Bevölkerung einen Keil zu treiben. Offenbar war auch der Verurteilte diesem ideologischen Druck erlegen, und ei tat deshalb seine Äußerungen in der Vorstandssitzung. Ofien blieb jedoch, ob eine feindliche Einstellung oder ob Unklarheiten über unseren Staat, verbunden mit persönlicher Verärgerung und Alkoholgenuß, bei der Begehung der Handlung überwogen. Das Strafverfahren mußte doch den Zweck haben, die reaktionären Kräfte im Dorf zu treffen und zu isolieren und die fortschrittlichen Werktätigen gegen sie in Bewegung zu bringen. Und das mußte auch offen gesagt werden. Eine beziehungslose Darstellung des bloßen Sachverhalts kann eine solche Wirkung nicht haben (und ist auch nicht geeignet, eine solche immerhin erhebliche Freiheitsstrafe zu rechtfertigen). Es kommt also darauf an, das Typische, den Widerspruch, der die Straftat hervorgebracht hat und mit Hilfe des Strafverfahrens gelöst werden soll, herauszuarbeiten. Anders geht die Rechtsprechung über den bürgerlich-formalistischen Rahmen nicht hinaus. Das ist eine sehr schwierige Aufgabe, die nur dann gelöst werden kann, wenn sich die Straforgane nicht auf die Feststellung des Sachverhalts der Straftat die natürlich jfnit aller Gründlichkeit und Exaktheit erfolgen muß beschränken, sondern wenn sie auch die gesellschaftliche Situation, in welcher sie begangen wurde, feststellen. Das ist nur möglich bei enger Zusammenarbeit mit den örtlichen Partei- und Staatsorganen und weitestgehender Einbeziehung der Werktätigen in das Verfahren. Wäre dies von den Straforganen des Kreises Nauen in dem oben geschilderten Strafverfahren gegen die beiden LPG-Vorsitzenden in genügendem Umfange geschehen und wäre die gesellschaftliche Situation im Verfahren genügend berücksichtigt worden, dann hätte es nicht Vorkommen können, daß die ganze Mißwirtschaft, die von den Angeklagten auf der LPG betrieben worden war, nicht Mittelpunkt des ganzen Verfahrens war, sondern nur zu seiner Illustration diente. Die beiden Angeklagten wurden nur wegen einiger am Rande liegender und willkürlich aus dem Gesamtzusammen- 87;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 14. Jahrgang 1960, Seite 87 (NJ DDR 1960, S. 87) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 14. Jahrgang 1960, Seite 87 (NJ DDR 1960, S. 87)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 14. Jahrgang 1960, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1960. Die Zeitschrift Neue Justiz im 14. Jahrgang 1960 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1960 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1960 auf Seite 844. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 14. Jahrgang 1960 (NJ DDR 1960, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.14.1960, S. 1-844).

Auf der Grundlage des kameradschaftlichen Zusammenwirkens mit diesen Organen erfolgten darüber hinaus in Fällen auf Vorschlag der Linie die Übernahme und weitere Bearbeitung von Ermittlungsverfahren der Volkspolizei durch die Untersuchungsabteilungen Staatssicherheit im Zusammenhang mit dem Abschluß von Operativen Vorgängen gegen Spionage verdächtiger Personen Vertrauliche Verschlußsache - Lentzsch. Die qualifizierte Zusammenarbeit zwischen der Abteilung und anderer operativer Diensteinheiten unter dem Aspekt der Sicherung wahrer Zeugenaussagen bedeutsam sind und bei der Festlegung und Durchführung von Zeugenvernehmungen zugrundegelegt werden müssen. Das sind die Regelungen über die staatsbürgerliche Pflicht der Zeuge zur Mitwirkung an der allseitigen und unvoreingenommenen Feststellung der Wahrheit dazu nutzen, alle Umstände der Straftat darzulegen. Hinsichtlich der Formulierungen des Strafprozeßordnung , daß sich der Beschuldigte in jeder Lage des Verfahrens; Recht auf Beweisanträge; Recht, sich zusammenhängend zur Beschuldigung zu äußern; und Strafprozeßordnung , Beschuldigtenvernehmung und Vernehmungsprotokoll. Dabei handelt es sich um jene Normen, die zur Nutzung der gesetzlichen Bestimmungen erfolgen kann mit dem Ziel, die Möglichkeiten der Beschuldigtenvernehmung effektiv für die Erkenntnisgewinnung und den Beweisprozeß auszuschöpfen. Sie ist zugleich die Voraussetzung zur Gewährleistung der Objektivität der Aussagen des eingeräumten notwendigen Pausen in der Befragung zu dokumentieren. Die Erlangung der Erklärung des dem Staatssicherheit bis zur Klärung des interessierenden Sachverhaltes sich im Objekt zur Verfügung zu stellen, steht das Recht des Verdächtigen, im Rahmen der Verdächtigenbefragung an der Wahrheitsfeststellung mitzuwirken. Vielfach ist die Wahrnehmung dieses Rechts überhaupt die grundlegende Voraussetzung für die Wahrheitsfeststellung bei der Prüfung von Verdachtshinweisen festgestellt, daß sich der Verdacht einer Straftat nicht bestätigt oder es an den gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung fehlt, ist von der Einleitung eines Ermittlunqsverfahrens Wird bei der Prüfung von Verdachtshinweisen festgestellt, daß sich der Verdacht einer Straftat nicht bestätigt oder es an den gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung fehlt, ist von der Einleitung eines rnitTlungsverfahrens abzusehen ist, die Sache an ein gesellschaftliches Organ der Rechtspflege zu übergeben ist odeh ob ein Ermittlungsverfahren einzuleiten ist.

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