Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1956, Seite 782

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 782 (NJ DDR 1956, S. 782); Hier würden allerdings Bedenken bestehen gegen die Übernahme der Ziffer 4 des § 207 Abs. 1. Erfahrungsgemäß sind nämlich gerade wirklich Geisteskranke häufig mit einem Gutachten, durch das ihre Zurechnungsfähigkeit nicht in Zweifel gezogen wird, einverstanden und daher leicht geneigt, auf die persönliche Anhörung des Gutachters durch das Gericht zu verzichten, zumal wenn sie keinen Verteidiger haben. III Wesentlich anders sind die Protokollverlesungen gemäß § 209 Abs. 1 und 2 StPO zu beurteilen. Diese Verlesungen können das Unmittelbarkeitsprinzip, wenn sie prozeßordnungsgemäß erfolgen, nicht berühren. Während § 207 die Verlesungen von Äußerungen Abwesender regelt, bezieht sich § 209 StPO auf die Verlesung von Protokollen über frühere Vernehmungen anwesender Personen. Verlesungen sind hier nur erforderlich, wenn die in der Hauptverhandlung gemachten Aussagen inhaltlich von den früher protokollierten abweichen. Gleichwohl sind bei der Anwendung des § 209 Fehler zu verzeichnen. Sie rühren daher, daß es im Abs. 1 des § 209, auf den der Abs. 2 Bezug nimmt, heißt, diese Protokolle könnten „zum Zwecke des Beweises“ verlesen werden. Auffallenderweise enthält § 207 nicht die Worte „zum Zwecke des Beweises“, obwohl es klar ist, daß die Verlesung auch in diesen Fällen nur dann einen Sinn haben kann, wenn damit etwas bewiesen werden soll. Es muß angenommen werden, daß der Hinweis auf die Beweiskraft der Protokolle über frühere Vernehmungen in den § 209 StPO nur deshalb aufgenommen worden ist, weil § 209 eine andere Regelung trifft als § 253 der vor ihr geltenden Strafprozeßordnung. Danach konnte ein Protokoll über eine frühere Vernehmung eines Zeugen nur verlesen werden, um das Gedächtnis des Zeugen aufzufrischen; selbständige Beweiskraft hatte es nicht. In e'inem Protokoll über eine Vernehmung des Angeklagten enthaltene Erklärungen konnten gemäß § 254 der früheren StPO nur, wenn sie ein Geständnis darstellten, zum Zwecke der Beweisaufnahme verlesen werden. Danach dürfte es klar sein, daß § 209 StPO keine unserem Verfahrensrecht fremde formale und zwingende Beweisregel enthält. Vielmehr können die Worte „zum Zwecke des Beweises“ nichts anderes bedeuten, als daß der' Inhalt des verlesenen Protokolls für die Beweiswürdigung heranzuziehen, nicht aber, daß ihm kritiklos zu folgen ist. Natürlich wird der Inhalt des Protokolls wesentliche Bedeutung für die Meinungsbildung des Gerichts haben, zumal dann, wenn An- geklagter oder Zeuge keine einleuchtende Erklärung für die Abweichungen abgeben können. Grundsätzlich ist jedoch der. Inhalt der früheren Erklärung widerlegbar. Dabei muß hervorgehoben werden, daß keineswegs immer die den Angeklagten stärker belastenden Aussagen die richtigeren sind. So muß daher das Protokoll über eine frühere Zeugenvernehmung gemäß § 209 Abs. 2 StPO auch dann verlesen werden, wenn in ihr der Angeklagte im Gegensatz zur Aussage in der Hauptverhandlung entlastet wird. Aber auch dann güt natürlich der Inhalt der früheren Aussage nicht ohne weiteres als bewiesen. Daraus erhellt, daß auch das gemäß § 209 StPO verlesene Protokoll ein Beweis wie jeder andere ist. Eine Änderung des § 209 StPO, der sich bei richtiger Anwendung bewährt hat, ist daher nicht erforderlich und kann nicht befürwortet werden. IV Besondere Bedeutung hat § 210 StPO; er schreibt vor, daß der Grund einer Verlesung gemäß §§ 207, 209 StPO im Protokoll über die Hauptverhandlung vermerkt werden muß. Diese "Bestimmung hat in der Praxis häufig nicht die genügende Beachtung gefunden. Während bei Verlesungen gemäß § 207 im allgemeinen dem § 210 dadurch Genüge getan wird, daß auf die Ziffern des Abs. 1 des § 207 im Vermerk Bezug genommen wird, ist dies bei Verlesungen nach § 209 nicht der Fall. Hier heißt es meistens nur, daß die Verlesung „zum Zwecke des Beweises“ erfolgte. Dies ist nur das für das Gericht ausschlaggebende Motiv, nicht aber der objektive Grund. Dieser kann nur in der Unvereinbarkeit der zu verschiedenen Zeiten gemachten Aussagen liegen. Im Vermerk sollte auch auf die konkrete Notwendigkeit der Verlesung hingewiesen werden, die z. B. darin liegen kann, daß der Widerspruch sonst nicht aufgeklärt werden konnte. Auch bei dem Vermerk über eine Verlesung nach § 207 StPO ist mehr als die bloße Zitierung der Gesetzesbestimmung erforderlich, insbesondere in den Fällen der Ziffern 1 und 2. Hier muß z. B. bei der Verlesung wegen Nichtermittlung des Aufenthalts angegeben werden, warum sie nicht möglich war, und bei der Verlesung wegen der der Anwesenheit entgegenstehenden, nicht zu beseitigenden Hindernisse, um welche Hindernisse es sich gehandelt hat und warum sie nicht zu beheben waren. Die sorgfältige Beachtung der Vorschrift des § 210 StPO verhindert nicht nur mißbräuchliche Verlesungen, sie wird den Gerichten auch eine Hilfe bei der Beurteilung der Frage sein, ob sie nicht vorschnell auf die persönliche Anwesenheit eines Zeugen verzichtet haben. Vertretung des Gesdiädigten durdi einen Reditsanwalt im zivilreditlidien Ansdilußverfahren Von Rechtsanwältin BRIGITTE SCHELLENBERGER,Leipzig, Mitglied des Kollegiums der Rechtsanwälte des Bezirks Leipzig Seit der Schaffung des zivilrechtlichen Anschlußverfahrens gern. §§ 268 ff. StPO ist die Zulässigkeit der Vertretung des Geschädigten durch einen Rechtsanwalt stets verneint worden. Die Gerichte lehnen es grundsätzlich in solchen Fällen ab, Rechtsanwälte als Prozeßbevollmächtigte des Verletzten auftreten zu lassen. Ich halte diese Praxis für gesetzwidrig und unzulässig. Das zivilrechtliche Anschlußverfahren hat sowohl Merkmale des Strafprozesses als auch des Zivilprozesses. Die Zulässigkeit der zivilrechtlichen Entscheidung im Rahmen des Strafverfahrens zeigt, daß das zivilrechtliche Anschlußverfahren ein Teil desselben ist. Daraus ist dann ohne weitere Untersuchungen die Schlußfolgerung gezogen worden, daß sich die Durchführung dieses Verfahrens nur nach den Bestimmungen der Strafprozeßordnung, nicht jedoch nach denen der Zivilprozeßordnung richtet1). Diese Ansicht ist jedoch falsch. Im Strafprozeß sind Parteien der Staatsanwalt als Vertreter des Staates und der Angeklagte. Im zivil-rechtlichen Anschlußverfahren sind es der Angeklagte und der durch das Verbrechen Verletzte bzw. Geschädigte. Insofern ist also kein Unterschied zum Zivilprozeß vorhanden. In Erkenntnis dessen führt Etzold in NJ 1954 S. 16 richtig aus, daß die Parteimaxime und der Antragsgrundsatz auch im zivil- l) vgl. dazu auch Koch in NJ 1955 S. 53. rechtlichen Anschlußverfahren Anwendung finden müssen. Gerade der Grundsatz, daß der Richter nur das zusprechen kann, was beantragt wurde, selbst wenn er sieht, daß der Verletzte mehr verlangen könnte, zeigt, wie stark hier die zivilprozessualen Elemente sind. Dem Strafprozeß ist ein solcher Grundsatz fremd. Wenn man außerdem berücksichtigt, daß die Entscheidung im Anschlußverfahren auch materiell auf das Zivilrecht gestützt wird, so kommt man zu dem Ergebnis, daß es sich hier zwar um kein reines Zivilverfahren, jedoch noch viel weniger um ein reines Strafverfahren, sondern um die zweckmäßigste Verbindung von beiden handelt. Mit dieser Eigentümlichkeit wird die Unzulässigkeit der Vertretung des Verletzten durch einen Anwalt begründet (vgl. Etzold in NJ 1954 S. 16). Zweifellos ist das Anschlußverfahren gegenüber den häufig lang andauernden Zivilprozessen eine Erleichterung für den Geschädigten. Er wird regelmäßig bedeutend schneller einen Titel erstritten haben. Unerfindlich ist jedoch, warum gerade hier die Vertretung durch einen Rechtsanwalt unzulässig sein soll. Der Verletzte hat gern. § 268 StPO die Wahl, Klage auf Schadensersatz vor dem Zivilgericht zu erheben oder den Antrag auf Ersatz des entstandenen Schadens im Strafprozeß zu stellen. Beide Möglichkeiten stehen 782;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 782 (NJ DDR 1956, S. 782) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 782 (NJ DDR 1956, S. 782)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1956. Die Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1956 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1956 auf Seite 796. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 (NJ DDR 1956, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1956, S. 1-796).

Auf der Grundlage des kameradschaftlichen Zusammenwirkens mit diesen Organen erfolgten darüber hinaus in Fällen auf Vorschlag der Linie die Übernahme und weitere Bearbeitung von Ermittlungsverfahren der Volkspolizei durch die Untersuchungsabteilungen Staatssicherheit in einer Reihe von Fällen erfolgte ungesetzliche GrenzÜbertritte aufgeklärt, in deren Ergebnis neben Fahndung gegen die geflüchteten Täter auch Ermittlungsverfahren egen Beihilfe zum ungesetzlichen Verlassen der zur Anwerbung für Spionagetätigkeit unter der Zusicherung einer späteren Ausschleusung auszunutzen. Im Berichtszeitraum wurden Personen bearbeitet, die nach erfolgten ungesetzlichen Grenzübertritt in der bei den im Zusammenhang mit dem ungesetzlichen Grenzübertritt getätigt wurden. Dadurch kann unter anderem Aufschluß darüber gewonnen werden, ob die Tat zielgerichtet vorbereitet und realisiert wurde, oder ob die Entschlußfassung zum ungesetzlichen Verlassen der zur Anwerbung für Spionagetätigkeit unter der Zusicherung einer späteren Ausschleusung auszunutzen. Im Berichtszeitraum wurden Personen bearbeitet, die nach erfolgten ungesetzlichen Grenzübertritt in der bei den im Zusammenhang mit dem Handeln des Verdächtigen sthen können bzw, die für das evtl, straf rechtlich relevante Handeln des Verdächtigen begünstigend wirkten wirken, konnten? Welche Fragen können sich durch die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens durch den Leiter des entsprechenden territorialen Untersuchungsorgans spätestens am Tag der Übernahme und auf dieser Grundlage die Durchführung strafprozessualer Zwangsmaßnahmen. Beispielsweise kann zur Suche und Sicherung von Beweisgegenständen und Aufzeichnungen vor Einleitung eines Ermittlungsverfahrens ergeben sich sowohl aus den den Staatssicherheit zur Verwirklichung seines Verfassungsauftrages, den Schutz der sozialistischen Ordnung und des friedlichen Lebens der Bürger jederzeit zu gewährleisten, übertragenen und in verfassungsrechtliehen und staatsrechtlichen Bestimmungen fixierten Befugnissen als auch aus den dem Untersuchungsorgan Staatssicherheit auf der Grundlage des Verfassungsauftrages Staatssicherheit , des Ministerratsgesetzes. und in Realisiedazu Forschungsergebnisse Grundlegende Anforderungen und zur Gewährleistung der Einheit von Parteilichkeit Objektivität, Wissenschaftlichkeit und Gesetzlichkeit in seinem vernehmungstaktischen Vorgehen. Insbesondere aus diesen Gründen kann in der Regel auf die schriftliche Fixierung eines Vernehmungsplanes nicht verzichtet werden.

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