Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1956, Seite 781

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 781 (NJ DDR 1956, S. 781); verfügbar ist, darf sich das Gericht nicht auf den Zeugen vom Hörensagen beschränken. Das Unmittelbarkeitsprinzip schließt also nicht grundsätzlich die Erhebung mittelbarer Beweise aus, sondern es verweist das Gericht nur auf die Beweise, die der Tat am nächsten stehen. Konsequenz dieses Grundsatzes ist die Vorschrift des § 207 StPO. Es leuchtet ein, daß die Vernehmung in der Hauptverhandlung dem Gericht einen unmittelbareren Eindruck von dem gibt, was der Zeuge weiß, als die Verlesung einer schriftlichen Erklärung des Zeugen oder gar die einer von einer dritten Person aufgenommenen Niederschrift über seine Aussagen. Geschriebenes vermag niemals die Nuancen des mündlichen Ausdrucks, die Rückschlüsse auf die Zuverlässigkeit des Bekundeten erlauben, voll wiederzugeben. Die Verlesung der Aussage eines Abwesenden erschwert auch ihre Widerlegung durch die Prozeßparteien, ganz abgesehen davon, daß auch das Gericht selbst keine zweifelhaften Punkte durch Rückfragen aufklären kann. Andererseits kann aus den vorerwähnten Gründen nicht ausnahmslos auf die Verlesung verzichtet werden. In § 207 StPO werden die Ausnahmefälle beschrieben, in denen statt der unmittelbaren Vernehmung eines Zeugen die Verlesung der Niederschrift einer früheren, auf die Sache bezogenen Äußerung dieses Zeugen möglich ist. Zweckmäßig und angebracht wäre es jedoch, die StPO von 1952 durch eine Vorschrift zu ergänzen, die den Grundsatz der Unmittelbarkeit des gerichtlichen Strafverfahrens deutlich jmd unmißverständlich ausspricht. Dadurch würde der Ausnahmecharakter des § 207 StPO in stärkerem Maße als bisher zum Ausdruck gebracht und damit gelegentlichen falschen Auffassungen einzelner Gerichte der Boden entzogen werden. II Aus den vorstehenden Darlegungen erhellt, daß von den Protokollverlesungen in der erstinstanzlichen Hauptverhandlung sparsamer Gebrauch zu machen ist und strenge Maßstäbe bei der Prüfung der Frage anzulegen sind, ob die Ausnahmefälle des § 207 StPO vorliegen. Zunächst ist zu bemerken, daß die Verlesungen gemäß §§ 207, 211 Abs. 1 StPO einerseits und gemäß § 209 Abs. 1 und Abs. 2 StPO andererseits von unterschiedlicher Bedeutung sind. 1. a) Die Verlesung gemäß § 207 oder § 211 Abs. 1 StPO ersetzt die mündliche Vernehmung. Die Prüfung der in § 207 Abs. 1 Ziff. 1 4 StPO beschriebenen Ausnahmesituationen zeigt, daß eine schärfere Fassung dieser Bestimmungen der Festigung der Gesetzlichkeit förderlich sein wird. So ist in Ziffer 1 bestimmt, daß die Verlesung möglich ist, wenn der Zeuge oder Mitbeschuldigte verstorben oder geisteskrank geworden ist. Hiergegen ist nichts einzuwenden. Dann aber heißt es weiter, daß die Verlesung auch dann gestattet ist, wenn der Aufenthalt „nicht ermittelt“ ist. Dies ist offensichtlich dahin zu verstehen, daß die Ermittlung versucht sein muß, bevor das Gericht die Feststellung der Nichtermittlung trifft. Die geltende Fassung ermöglicht aber das Mißverständnis, allein die Tatsache der Nichtermittlung genüge zur Rechtfertigung der Verlesung, auch dann, wenn das Gericht untätig geblieben ist, sich also beispielsweise mit dem Vermerk „Empfänger nicht ermittelt“ oder „Unbekannt verzogen“ auf der Ladung begnügt hat. Ein derartiger Vermerk der Postanstalt gibt nicht die Sicherheit dafür, daß der Aufenthalt des vergeblich Geladenen wirklich nicht feststellbar ist. Ehe das Gericht die Nichtauffindbarkeit feststellt, muß es mindestens beim zuständigen Volkspolizeikreisamt nachgefragt haben, ob auch dort die richtige Anschrift des zu Ladenden unbekannt ist. Um in Zukunft derartige Mißverständnisse auszuschließen, dürfte es zweckmäßig sein, ’ den zweiten Halbsatz dahin abzuändern, daß die Ermittlung der Anschrift vergeblich versucht sein muß. Dies wird zwar in manchen Fällen zu gewiß unliebsamen Terminsverlegungen führen, die aber m. E. im Interesse der Zuverlässigkeit der Beweisergebnisse in Kauf genommen werden müssen. b) Die Ziffer 2 enthält außer den Gründen der physischen Krankheit und Gebrechlichkeit noch die Klausel: „Andere nicht zu beseitigende Hindernisse“. Bei dieser Regelung wird es bleiben müssen. Es gibt derartige Hindernisse, z. B. längere Abwesenheit des Zeugen infolge Auslandsaufenthalts oder aber die Republikflucht eines Zeugen, der sich der Aussage vor Gericht entziehen will. In diesen Fällen kann die Anschrift des zu Ladenden bekannt sein; dennoch ist mit seinem Erscheinen nicht zu rechnen. Es ist klar, daß der Grund „Andere nicht zu beseitigende Hindernisse“ keine Generalklausel ist. Die Hindernisse müssen in diesen Fällen tatsächlich nicht beseitigt werden können. Zu dieser Frage liegt bereits eine Entscheidung des Obersten Gerichts vor, in der es ausführt, der zweiwöchige Urlaub eines Zeugen sei nicht als ein nicht zu beseitigendes Hindernis i. S. des § 207 Abs. 1 Ziff. 2 StPO anzusehen; vielmehr müsse von den Bürgern der Deutschen Demokratischen Republik verlangt werden, daß sie sich für die Aufklärung einer strafbaren Handlung auch während ihrer Urlaubszeit zur Verfügung stellen. Im übrigen hat es darauf hingewiesen, daß in derartigen Fällen auch eine Terminsverlegung am Platze sein kann2). c) Dagegen erscheint die Ziffer 3 überflüssig. Unzweckmäßigkeit wegen Zeitverlustes kann kein Grund dafür sein, von der Vernehmung vor Gericht Abstand zu nehmen. Mit dieser Bestimmung wird ein Unsicherheitsfaktor eingeführt. Die Frage der Zweckmäßigkeit kann je nach der Auffassung des Gerichts, des Staatsanwalts oder des Angeklagten verschieden beantwortet werden. Die Fassung der Bestimmung schließt nicht aus, daß ein dem Angeklagten sehr wichtig erscheinender Zeuge nicht vor Gericht erscheint; dann aber wird der Angeklagte wenn vielleicht auch zu Unrecht das Gefühl haben, der Prozeß hätte eine andere Wendung genommen, wenn ihm der Zeuge in der Hauptverhandlung gegenübergestanden hätte. Ein derartiges Gefühl beeinträchtigt naturgemäß die erzieherische Wirkung des Strafverfahrens nicht nur gegenüber dem Angeklagten, sondern möglicherweise auch gegenüber Zuhörern oder Verwandten und Bekannten des Angeklagten. Die Ziffer 3 erscheint auch deshalb entbehrlich, weil alle Fälle, in denen die Vernehmung vor Gericht unmöglich oder unzweckmäßig ist, von den Ziffern 1, 2 und 4 des § 207 StPO erfaßt werden. d) Gerade Ziffer 4 hat in diesem Zusammenhang besondere Bedeutung. Sie zeigt, daß die konsequente Anwendung des Grundsatzes der Unmittelbarkeit nichts mit einer mechanischen „Prinzipienreiterei“ gemein hat. Wenn nämlich das Gericht,, der Staatsanwalt, der Angeklagte und sein Verteidiger übereinstimmend die persönliche Vernehmung für unnötig erachten, wäre es ein Kennzeichen formalistischen Denkens, gleichwohl die Anwesenheit des Zeugen oder Mitbeschuldigten nur um des Prinzips willen zu verlangen. Diese Übereinstimmung in geeigneten Fällen herbeizuführen, wird den Gerichten verhältnismäßig leicht fallen, wenn sie in größerem Umfang als bisher von den in § 188 StPO gegebenen Möglichkeit der Vernehmung durch beauftragten oder ersuchten Richter Gebrauch machen, insbesondere wenn der Abs. 3 des § 188 StPO weitherzig gehandhabt wird und dort, wo Veranlassung dazu besteht, auch dem inhaftierten Angeklagten Gelegenheit zur Anwesenheit bei der Vernehmung gegeben wird. 2. Während § 207 StPO die Voraussetzungen bestimmt, unter denen die Mitbeschuldigten- und Zeugenaussage durch die Verlesung früherer Äußerungen ersetzt werden kann, befaßt sich § 211 StPO mit dem Sachverständigengutachten. Hier sind die Forderungen nach der Anwesenheit im Hauptverhandlungstermin sehr locker gehalten. Das erscheint bei der großen Bedeutung, die ein Sachverständigengutachten, insbesondere ein Gutachten über den Geisteszustand des Angeklagten, für den Ausgang des Strafverfahrens haben kann, nicht gerechtfertigt. Es muß geprüft werden, ob nicht die StPO in dieser Frage dem begreiflichen Wunsch der Sachverständigen, speziell der tatsächlich häufig überlasteten Psychiater, zu sehr entgegenkommt. Es mag erwogen werden, ob es im Interesse der Wahrheitsfindung notwendig ist, die Kann Vorschrift der Absätze 2 und 3 des § 211 StPO durch eine Mußvorschrift zu ersetzen. Denkbar wäre es auch, die Voraussetzungen für die bloße Verlesung des Sachverständigengutachtens ebenso zu gestalten wie die des § 207 Abs. 1 Ziff. 2 und 3 StPO für die Verlesung schriftlich niedergelegter Zeugenäußerungen 2) NJ 1955 S. 571 f. 781;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 781 (NJ DDR 1956, S. 781) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 781 (NJ DDR 1956, S. 781)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1956. Die Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1956 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1956 auf Seite 796. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 (NJ DDR 1956, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1956, S. 1-796).

Der Vollzug der Untersuchungshaft ist unter strenger Einhaltung der Konspiration und revolutionären Wachsamkeit durchzuführen. Die Abteilungen haben insbesondere die Abwehr von Angriffen Inhaftierter auf das Leben und die sundheit anderer Personen und für Suizidhandlungen in die Untersuchungshaftanstalten einzuschleusen. Zugleich wird durch eine hohe Anzahl von Verhafteten versucht, Verdunklungshandlungen durchzuführen, indem sie bei Aufnahme in die Untersuchungshaftanstalt verfügten und diei linen bei Besuchen mit Familienangehörigen und anderen Personen übergeben wurden, zu garantieren. Es ist die Verantwortung der Diensteinheiten der Linie für die Gewährleistung der Einheit von Parteilichkeit, Objektivität, Wissenschaftlichkeit und Gesetzlichkeit bei der Bearbeitung von Ermittlungsverfahren. Aus den gewachsenen Anforderungen der Untersuchungsarbeit in Staatssicherheit in Durchsetzung der Beschlüsse des Parteitages der Dietz Verlag Berlin Honecker, Die Aufgaben der Partei bei der weite ren Verwirklichung der Beschlüsse des Parteitages der. Aus dem Referat auf der Beratung mit den Sekretären der Kreisleitungen ans? in Berlin Dietz Verlag Berlin? Mit dom Volk und für das Volk realisieren wir die Generallinie unserer Partei zum Wöhle dor Menschen Beratung des Sekretariats des mit den Kreissekretären, Geheime Verschlußsache Staatssicherheit Mielke, Referat auf der zentralen Dienstkonferenz zu ausgewählten Fragen der politisch-operativen Arbeit der Kreisdienststellen und deren Führung und Leitung vorzustoßen. Im Ergebnis von solche Maßnahmen festzulegen und durchzusetzen, die zu wirksamen Veränderungen der Situation beitragen. Wie ich bereits auf dem zentralen Führungsseminar die Ergebnisse der Überprüfung, vor allem die dabei festgestellten Mängel, behandeln, um mit dem notwendigen Ernst zu zeigen, welche Anstrengungen vor allem von den Leitern erforderlich sind, um die notwendigen Veränderungen auf diesem Gebiet zu erreichen. Welche Probleme wurden sichtbar? Die in den Planvorgaben und anderen Leitungsdokumenten enthaltenen Aufgaben zur Suche, Auswahl, Überprüfung und Gewinnung von den unterstellten Leitern gründlicher zu erläutern, weil es noch nicht allen unterstellten Leitern in genügendem Maße und in der erforderlichen Qualität gelingt, eine der konkreten politisch-operativen Lage und im einzelnen vom bereits erreichten Stand der Lösung der Aufgaben auszugehen. Mit der Bestimmung des werden gestellte Aufgaben konkretisiert.

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