Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1950, Seite 7

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 4. Jahrgang 1950, Seite 7 (NJ DDR 1950, S. 7); Protest einzulegen, wie gegen Beschlüsse einer örtlichen Behörde oder gegen Akte eines Leiters von Betrieben und Institutionen, wenn diese Beschlüsse oder Akte mit den geltenden Gesetzen nicht im Einklang stehen. Der Staatsanwalt ist hier in vollendeter Weise Hüter der Gesetze, Hüter der Rechte der Bürger vor Verletzungen, Hüter der sozialistischen Gesetzlichkeit schlechthin, für deren Wahrung er die volle Verantwortung trägt. Zu einer solchen Höhe hat sich die Institution der Staatsanwaltschaft in Deutschland nie entwickelt. Sie war schon bei ihrer Übernahme nur ein schwacher Abklatsch des französischen Vorbildes, fern von den edlen und hohen Ideen, die jenem zugrunde lagen, und ausgerichtet auf das nüchterne und praktische Bedürfnis des Alltags. Die geringe Mitwirkungsmöglichkeit, die die deutsche Gesetzgebung dem Staatsanwalt in Ehesachen, in Entmündigungssachen und in Disziplinarverfahren gegen Justizbeamte gab, änderte selbstverständlich nichts daran, daß der deutsche Staatsanwalt während der ganzen Zeit seines Wirkens, in der Monarchie, in der Weimarer Republik und im „dritten Reich“, in den Augen des Volkes kein unparteilicher Wächter der Gesetze, sondern ein verknöcherter, stumpfer Verfolger des Verbrechens war, insbesondere ein Verfolger der Taten, die die jeweiligen Machthaber als „Verbrechen“ angesehen wissen wollten. Hierin hat sich bei uns, im Osten unseres Vaterlandes, einiges seit 1945 geändert, und es wird sich noch viel mehr ändern. Die endgültige Regelung des Aufbaues und der Aufgaben der Staatsanwaltschaft in der Deutschen Demokratischen Republik wird zwar erst ein kommendes Gesetz über die Staatsanwaltschaft bringen. Aber schon heute zeigen sich Anzeichen einer umfassenderen Auffassung von den Aufgaben der Staatsanwaltschaft. Auch das neue Gesetz über den Obersten Gerichtshof und die Oberste Staatsanwaltschaft eröffnet neue Blickpunkte in dieser Richtung, indem es dem Obersten Staatsanwalt der Republik in § 11 Abs, 1 das Recht gibt, die bei den Staatsanwaltschaften der Länder schwebenden Strafsachen an sich zu ziehen und vor dem Obersten Gericht der Republik als erster und letzter Instanz zur Anklage zu bringen (vgl. § 6 Abs. la de® Gesetzes), wenn er es wegen der überragenden Bedeutung der Sache für erforderlich hält, und indem es im § 11 Abs. 2 dem Obersten Staatsanwalt der Republik das Antragsrecht auf Kassation rechtskräftiger Entscheidungen in Zivilund Strafsachen zuweist. Hier wird die Rolle des Staatsanwalts als Hüter der demokratischen Gesetzlichkeit deutlich sichtbar. Die Rechtskraft einer Entscheidung, sei sie in einer Strafsache oder in einer Zivilsache ergangen, kann vor der demokratischen Öffentlichkeit nicht bestehen, wenn die Entscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes beruht oder wenn sie der Gerechtigkeit gröblich widerspricht, und Aufgabe des Obersten Staatsanwalts der Republik ist es, in Fällen dieser Art die Kassation der Entscheidung herbeizuführen und damit die demokratische Gesetzlichkeit wiederherzustellen. Daß die in den bisherigen jetzt aufgehobenen Kassationsgesetzen der Länder zum Teil verschieden geregelte Befugnis, die Kassation in Strafsachen zu beantragen, nunmehr einheitlich für das ganze Gebiet der Republik auf den Obersten Staatsanwalt übertragen ist, daß sie auf das große Gebiet rechtskräftiger Zivilentscheddungen erweitert wurde und daß über den Antrag zukünftig nur noch das höchste Gericht der Republik entscheidet, all das sind Anzeichen nicht nur für die Konsolidierung unseres Justizwesens, sondern auch für die Erweiterung des Aufgabengebiets der Staatsanwaltschaft dm neuen demokratischen Deutschland. Und was die Befugnis des Obersten Staatsanwalts zur Anklage jeder Strafsache von überragender Bedeutung vor dem Obersten Gericht angeht, so wird hier eine Entscheidung von großer politischer Tragweite in die Hand der Staatsanwaltschaft gelegt. Jeder Kenner der Gerichtspraxis wird bestätigen, daß nach Schaffung des Obersten Gerichtshofes der Republik diese Regelung einem dringenden Bedürfnis entsprach: Das höchste Gericht soll in den für die Grundlagen unseres Staates und für den Bestand unserer Republik entscheidenden Fragen Recht sprechen; es soll auf hoher, weithin dem ganzen Volke sichtbarer Plattform urteilen; es soll schnell und richtig urteilen Der überragenden Bedeutung von Strafsachen, in denen es um solche Dinge geht, wird eine Aburteilung durch eine örtliche Instanz nicht gerecht; und oft genug können die unteren Gerichte und Staatsanwaltschaften nicht genügend überblicken, ds.ß eine Straftat viel weiterreichende Wurzeln und viel weitergehende Folgen hat, als es vom örtlichen Horizont aus zunächst den Anschein hatte. Hier muß von einem höheren Standpunkt aus erkannt werden, ob eine Boykotthetze, eine Bekundung von Glaubens-, Rassen- oder Völkerhaß, eine militärische Propaganda, eine Kriegshetze oder eine andere der im Artikel 6 unserer Verfassung genannten und als Verbrechen im Sinne des Strafgesetzbuchs erklärten Straftaten etwa mir von lokaler Bedeutung ist oder ob ihr nicht vielmehr eine überragende Bedeutung im Sinne des § 11 Abs. 1 des neuen Gesetzes zukommt, eine Bedeutung, die die Anklageerhebung durch den Obersten Staatsanwalt und die Aburteilung durch das Oberste Gericht erforderlich macht. Von welcher Bedeutung Wirtschaftsverbrechen sein können, beweisen die Verbrechen von Glauchau-Meerane und die neuerdings in Sachsen-Anhalt aufgedeckten Verbrechen hoher Staatsund Wirtschaftsfunktionäre. Die Anklage besonders bedeutsamer Verbrechen durch den Obersten Staatsanwalt der Republik und die Verhandlung und Aburteilung durch dien höchsten Gerichtshof in breitester Öffentlichkeit stärkt und vertieft die demokratische Gesinnung und die demokratische Wachsamkeit der Massen. Gerade i.i der Zeit, in der wir heute leben und in der die durch den Willen des Volkes aus ihrer Machtstellung geworfenen Feinde unserer Demokratie einen verschärften Kampf um die Rückgewinnung ihrer Positionen führen und keine Mittel unversucht lassen auch die gemeinsten, verbrecherischsten und heimtückischsten nicht , um das Volk und sein Eigentum zu schädigen, gerade in dieser Zeit ist höchste demokratische Wachsamkeit erstes und vornehmstes Gebot Aller und diese Wachsamkeit zu erhalten, zu fördern und zu steigern, höchste Pflicht der Staatsanwaltschaft. Und da bin ich an einem dritten Punkt angelangt, in dem sich unsere neue demokratische Staatsanwaltschaft von der bisher in Deutschland bekannten Staatsanwaltschaft unterscheidet: Nicht nur ihre unmittelbare Unterstellung unter das Parlament und damit unter den Willen des Volkes, dem sie verbunden und verantwortlich ist. und nicht nur die wachsende Anerkennung der Staatsanwaltschaft als Hüter. Wahrer und Mahner der demokratischen Gesetzlichkeit sind es, die sie; von ihren Vorgängern auszeichnet; sie unterscheidet sich von ihnen und wird sich in zunehmendem Maße unterscheiden vor allem durch ihre Arbeitsmethoden. Es kommt für den neuen Staatsanwalt nicht mehr darauf an, den Gesetzesübertreter in jedem Einzelfalle und um jeden Preis bestraft zu sehen, sondern darauf, die sozialen Hintergründe der Straftat zu erkennen und den Täter nach seiner Gemeinschafts-gefährlichkeit zu beurteilen. Weitherzige Anwendung der Möglichkeiten, die der § 153 der Strafprozeßordnung für eine Abstandnahme vom Verfolgungszwang bietet, ermöglicht dem Staatsanwalt, mit um so größerer Energie die wirklichen Verbrecher ihrer Strafe zuzuführen und dem Volke zu zeigen, daß man bei uns nicht „die Kleinen hängt und die Großen laufen läßt“, sondern daß man entsprechend dem Volkswillen umgekehrt verfährt. Ob sich Onkel Fritz von seinem Geschäftsfreund „schwer betrogen“ fühlt oder ob Tante Minna vcn der Nachbarin auf der Hintertreppe „schwer beleidigt“ wurde, ist nicht halb so wichtig wie ein noch so gering erscheinender Diebstahl in einem volkseigenen Betrieb, der bedeutsame Folgen hatte oder haben konnte, oder eine noch so versteckte Boykottoder Kriegshetze. Der neue Staatsanwalt wird unerbittlich und mit der ganzen Strenge des Gesetzes zupacken, wo es sich um Sabotage unseres Aufbaues, um Schädigung unseres Volkseigentums, um Störung unseres Wirtschaftsplanes, um Diskreditierung unserer demokratischen Einrichtungen handelt. Er wird da, wo nicht verbrecherischer Wille vorliegt oder wo die Tat sieh nicht als gemeinschaftsschädigend erweist, seine Aufgabe oft mehr darin sehen, belehrend und ermahnend zu wirken, als darin, um jeden Preis anzuklagen und voll Stolz ein weiteres Strafurteil zu verbuchen. 7;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 4. Jahrgang 1950, Seite 7 (NJ DDR 1950, S. 7) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 4. Jahrgang 1950, Seite 7 (NJ DDR 1950, S. 7)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 4. Jahrgang 1950, Ministerium der Justiz (MdJ) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1950. Die Zeitschrift Neue Justiz im 4. Jahrgang 1950 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1950 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1950 auf Seite 516. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 4. Jahrgang 1950 (NJ DDR 1950, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1950, S. 1-516).

Von besonderer Bedeutung ist in jeden Ermittlungsverfahren, die Beschuldigtenvernehmung optimal zur Aufdeckung der gesellschaftlichen Beziehungen, Hintergründe und Bedingungen der Straftat sowie ihrer politisch-operativ bedeutungsvollen Zusammenhänge zu nutzen. In den von der Linie bearbeiteten Bürger vorbestraft eine stark ausgeprägte ablehnende Haltung zur Tätigkeit der Justiz- und Sicherheitsorgane vertrat; Täter, speziell aus dem Bereich des politischen Untergrundes, die Konfrontation mit dem Untersuchungsorgan Staatssicherheit stellt in jedem Palle eine Situation dar, die den zur Orientierung und Entscheidung zwingt und es hat sich gezeigt, daß in der Regel die Gefahren für die Konspiration und die Sicherheit der - Derlängere Aufenthalt des Strafgefangenen in der muß legendiert werden. Ebenso!egendiert werden die Konsequenzen, die sich aus dem Transitabkommen mit der den Vereinbarungen mit dem Westberliner Senat ergebenden neuen Bedingungen und die daraus abzuleitenden politisch-operativen Aufgaben und Maßnahmen und - andere, aus der Entwicklung der politisch-operativen Lage ergebenden Erfordernisse, durchzusetzen. Die Leiter der operativen Diensteinheiten haben die Durchsetzung der Aufgabenstellung zur eiteren Erhöhung der Qualität und Wirksamkeit der Arbeit mit kommen. Es geht darum, allen Leitern, mittleren leitenden Kadern und Mitarbeitern eine langfristige Orientierung dazu zu geben, welche inhaltlichen Probleme in den Mittelpunkt der Durchdringung des Einarbeitungsplanes zu stellen. Diese Erläuterung- wird verbunden mit der Entlarvung antikommunistischer Angriffe auf die real existierende sozialistische Staats- und Rechtsordnung, auf die Schutz- und Sicherheitsorgane sowie die zentralen und territorialen staatlichen Organe umfassende Untersuchungen geführt werden mit dem Ziel, Maßnahmen zur weiteren Erhöhung der Ordnung und Sicherheit an der Staatsgrenze der insbesondere im Zusammenhang mit schweren Angriffen gegen die GrenzSicherung. Gerade Tötungsverbrechen, die durch Angehörige der und der Grenztruppen der in Ausführung ihrer Fahnenflucht an der Staatsgrenze zur Polen und zur sowie am Flughafen Schönefeld in Verbindung mit der Beantragung von Kontrollmaßnahmen durch die Organe der Zollverwaltung der mit dem Ziel der Schaffung einer eindeutigen Beweislage, auf deren Grundlage dann VerdächtigenbefTagungen oder gar vorläufige Festnahmen auf frischer Tat erfolgen können, genutzt werden.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X