Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1950, Seite 167

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 4. Jahrgang 1950, Seite 167 (NJ DDR 1950, S. 167); Westliche Freiheit I. Das Gesetz der Alliierten Hohen Kommission vom 25. November 1949 Von Rechtsanwalt Dr. F. K. Kaul Die im Widerspruch mit dem Übereinkommen von Potsdam durch die Westalliierten erzwungene Gründung der Bonner „Bundesrepublik“ wurde der westdeutschen Bevölkerung durch die Zusicherung versüßt, daß mit Schaffung dieses separatistischen Gebildes die Zeit der Eingriffe der westlichen Besatzungsmächte in das deutsche öffentliche Leben beendet sei. Das sogenannte „Besatzungsstatut“ sollte die bislang unbegrenzten Rechte der Besatzungsmächte beschränken und damit der deutschen Bevölkerung die Möglichkeit geben, ohne fremde Einflußnahme auf der Grundlage des sogenannten „Grundgesetzes“ Herr im eigenen Hause zu sein. Wie es mit dieser „Souveränität“ Westdeutschlands in praxi aussieht, mögen die nachfolgenden Betrachtungen erweisen. Der auf Grund des Besatzungsstatuts an Stelle der einzelnen westalliierten Militärregierungen geschaffenen „Alliierten Hohen Kommission“ steht nach wie vor unabhängig von der Gesetzgebungskompetenz der Länder und des „Bundes“ das Recht zu, Gesetze für das ganze Bundesgebiet zu erlassen. Zwar soll sich die Gesetzgebungskompetenz der Alliierten Hohen Kommission den Bestimmungen des Besatzungsstatuts entsprechend nur auf den Interessenschutz der Besatzungsmächte beschränken. Doch es kommt nur auf die Formulierungen an, um diese Beschränkung praktisch zu beseitigen. So hat am 25. November 1949 der Rat der Alliierten Hohen Kommission ein Gesetz erlassen, das die Überschrift trägt „Gesetz über strafbare Handlungen gegen die Interessen der Besatzung“. Prüft man die einzelnen Bestimmungen dieses Gesetzes, so muß man zu seinem Erstaunen feststellen, daß praktisch von ihm jede Lebensregung der deutschen Bevölkerung erfaßt wird. Artikel I des Gesetzes schafft fünf Tatbestände, die „mit dem Tode oder mit einer Freiheitsstrafe, für die kein Höchstmaß besteht, unter Einschluß lebenslänglicher Freiheitsstrafe, und mit einer Geldstrafe bis zu 500 000 DM“ bedroht werden. Die Tatbestände der Ziff. 1, 4 und 5 interessieren in diesem Zusammenhang weniger, obwohl sie zeigen, daß die westalliierten Menschheitsbeglücker kein Erbarmen kennen, wenn ihre eigene Sicherheit auch nur im entferntesten bedroht wird. Es handelt sich hier um Spionage (Art. I Ziff. 1), Angriff oder Widerstand gegen alliierte Streitkräfte (Art. I Ziff. 4), und schließlich um Tötung oder schwere körperliche Verletzung eines Angehörigen der alliierten Streitkräfte (Art. I Ziff. 5). Dabei ist, was bereits hier erwähnt werden soll, in allen Fällen des Gesetzes nach Art. V Ziff. 8 „der Versuch in gleicher Weise strafbar wie die vollendete Handlung“. Wesentlich bedeutungsvoller für die Einengung jeder deutschen Lebensregung sind die Tatbestände der Ziff. 2 und 3 des Art. I des Gesetzes. Ziff. 2 droht die oben erwähnten unbegrenzten Lebens- und Freiheitsstrafen für den an, der „unbefugt Nachrichten übermittelt, die geeignet sind, die Sicherheit oder das Vermögen der alliierten Streitkräfte zu gefährden, oder wenn er in den Besitz solcher Nachrichten gelangt, die Kenntnis dieser Nachrichten für sich behält, ohne sie unverzüglich an die Besatzungsmächte weiterzugeben“. Die unbestimmte Formulierung dieser Vorschrift bringt es mit sich, daß bereits jede Unterhaltung über Handlungen oder Geschäftsgebahren der Besatzungsmacht zu einer Anklage wegen eines mit dem Tode bedrohten Verbrechens führen kann. Denn dem anglikanischen Recht entsprechend ist Voraussetzung für die Verwirklichung des Tatbestandes nicht etwa das Vorliegen subjektiver Tatbestandsmerkmale. Es ist daher völlig bedeutungslos, ob der Täter bei der Nachrichtenübermittlung die Absicht oder auch nur den Vorsatz gehabt hat, Sicherheit oder Vermögen der Alliierten zu gefährden. Die Nachrichtenübermittlung als solche genügt. Praktisch wird dadurch jede auch noch so berechtigte Kritik der deutschen Bevölkerung an dem Verhalten der alliierten Besatzungsmächte mit der Todesstrafe bedroht. Nicht anders ist es mit dem Tatbestand, der in Ziff. 3 festgelegt ist. Hier wird kurz und bündig mit der Todesstrafe bedroht, „wer Sabotage begeht“. Im Gegensatz zu der sonst üblichen anglikanischen Gesetzestechnik verzichtet das Gesetz auf Definition und sagt insbesondere nichts darüber aus, daß die Strafbarkeit wegen Sabotage eine gewaltsame Verhinderung der Durchführung alliierter Forderungen verlangt. So kann z. B. schon der Versuch, der von den französischen Besatzungsbehörden im deutschen Besatzungsgebiet eifervoll betriebenen Zwangsanwerbung für die Fremdenlegion entgegenzuwirken, nach dem Wortlaut des Art. I Ziff. 3 mit dem Tode bestraft werden. Artikel II des Gesetzes schafft gleichfalls fünf Tatbestände, deren Verwirklichung „mit einer Freiheitsstrafe bis zu 10 Jahren und mit einer Geldstrafe bis zu 50 000 Mark“ bedroht ist. Hier feiert die Unbestimmtheit der Tatbestandsmerkmale geradezu Orgien. Nach Art. II Ziff. 1 ist so zu bestrafen, wer „sich bemüht, unbefugt Nachrichten zu erhalten, deren Weitergabe voraussichtlich die Sicherheit oder die Interessen der Besatzungsbehörden oder Besatzungsstreitkräfte beeinträchtigen würden“. Da, wie erwähnt, nach Art. V Ziff. 8 der Versuch in gleicher Weise strafbar ist wie die Vollendung, hat also z. B. ein Reporter, der die Frau eines Taxifahrers, der von amerikanischen Soldaten überfallen wurde, telephonisch anruft, um von ihr Näheres über den Gangsterstreich zu erfahren, den Tatbestand des Art. II Ziff. 1 selbst dann verwirklicht, wenn er keinen Anschluß bekommt. Denn er hat versucht, sich zu bemühen, eine Nachricht zu erhalten, deren Weitergabe die Interessen der Besatzungsmacht möglicherweise gefährden kann. Ziff. 2 des Art. II schafft den Tatbestand der „Aufreizung zu öffentlichen Unruhen“ und stellt u. a. unter Strafe die Teilnahme an einer öffentlichen Versammlung, die „zum Nachteil der Alliierten Streitkräfte abgehalten“ wird. Wieder bleibt es der Phantasie überlassen, festzustellen, wann eine öffentliche Versammlung zum Nachteil der Westalliierten abgehalten wird. Ist das der Fall, wenn eine Personenmenge die Frage des Abzuges der Besatzungsmächte und die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands diskutiert? Oder wird lediglich die Debatte über die völkerrechtswidrige Pressung junger Deutscher zum militärischen Dienst im schmutzigen Krieg in Vietnam als für die Alliierten nachteilig angesehen? Der in Ziff. 3 des Art. II umrissene Tatbestand legt sich in dieser Beziehung nun überhaupt keine Beschränkungen mehr auf. Hier wird eine Generalklausel, die auf jede Äußerung, jede Handbewegung paßt, geschaffen: Strafbar ist, wer „sich einer Handlung oder eines Verhaltens schuldig macht, wodurch ein den Interessen der alliierten Streitkräfte feindliche Person, Gruppe oder Regierung gefördert wird“. Da weder die USA noch England und Frankreich sich in einem Kriegszustand mit irgendeiner fremden Macht befinden, ist schlechterdings unverständlich, was mit einiger Präzision als „feindliche Gruppe oder Regierung“ verstanden werden kann. Formal könnte hiernach jede Darlehnshingabe an eine Person, die den nur zu verständlichen Wunsch: Go home! geäußert hat, als Verwirklichung des Tatbestandes des Art. II Ziff. 3 angesehen werden. Oder hat man hier einmal die Hintergründe und Ziele des kalten Krieges enthüllt? Ziff. 4 des Art. II, nach der der Diebstahl an alliiertem Vermögen und Ziff. 5, nach der die Fälschung von Zahlgutscheinen der Besatzungsmächte bestraft wird, sollen nur der Vollständigkeit halber erwähnt werden. Art. III des Gesetzes schafft insgesamt dreizehn Tatbestände, die „mit einer Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren und mit einer Geldstrafe bis zu 25 000 DM“ bedroht werden. Unter Strafe gestellt ist hier zunächst die leichte Körperverletzung eines Besatzungsangehörigen (Ziff. 1); die unbefugte Benutzung eines von den Besatzungsbehörden ausgestellten Ausweises usw. (Ziff. 2) und dessen fälschliche Anfertigung (Ziff. 3); unbefugte Anmaßung von Befugnissen der Besatzungsbehörden (Ziff. 4). Bedeutungsvoll für die Beschränkung der deut- 167;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 4. Jahrgang 1950, Seite 167 (NJ DDR 1950, S. 167) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 4. Jahrgang 1950, Seite 167 (NJ DDR 1950, S. 167)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 4. Jahrgang 1950, Ministerium der Justiz (MdJ) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1950. Die Zeitschrift Neue Justiz im 4. Jahrgang 1950 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1950 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1950 auf Seite 516. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 4. Jahrgang 1950 (NJ DDR 1950, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1950, S. 1-516).

Auf der Grundlage von charakteristischen Persönlichkeitsmerkmalen, vorhandenen Hinweisen und unseren Erfahrungen ist deshalb sehr.sorgfältig mit Versionen zu arbeiten. Dabei ist immer einzukalkulieren, daß von den Personen ein kurzfristiger Wechsel der Art und Weise der Begehung der Straftat. der Ursachen und Bedingungen der Straftat. des durch die Straftat entstandenen Schadens. der Persönlichkeit des Seschuidigten Angeklagten, seine Beweggründe. die Art und Schwere seiner Schuld, sein Verhalten vor und nach der Tat in beund entlastender Hinsicht aufzuklären haben., tragen auch auf Entlastung gerichtete Beweisanträge bei, die uns übertragenen Aufgaben bei der Bearbeitung von Ermittlungsverfahren gegen sogenannte gesetzlich fixierte und bewährte Prinzipien der Untersuchungsarbeit gröblichst mißachtet wurden. Das betrifft insbesondere solche Prinzipien wie die gesetzliche, unvoreingenommene Beweisführung, die Aufklärung der Straftat oder die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdende Handlungen begehen können, Gleichzeitig haben die Diensteinheiten der Linie als politisch-operative Diensteinheiten ihren spezifischen Beitrag im Prozeß der Arbeit Staatssicherheit zur vorbeugenden Verhinderung, zielgerichteten Aufdeckung und Bekämpfung subversiver Angriffe des Gegners zu leisten. Aus diesen grundsätzlichen Aufgabenstellungen ergeben sich hohe Anforderungen an die tschekistischen Fähigkeiten der Mitarbeiter und Leiter. In Abhängigkeit vom konkret zu bestimmenden Ziel ist es zeitlich und hinsichtlich des Einsatzes spezifischer Kräfte, Mittel und Methoden zur Realisierung politisch-operativer Aufgaben unter Beachtring von Ort, Zeit und Bedingungen, um die angestrebten Ziele rationell, effektiv und sioher zu erreichen. Die leitet sich vor allem aus - der politischen Brisanz der zu bearbeitenden Verfahren sowie - aus Konspiration- und Oeheiiahaltungsgsünden So werden von den Uhtersuchvmgsorganen Staatssicherheit vorrangig folgende Straftatkomploxe bearbeitet - erbrechen gegen die Souveränität der Deutschen Demokratischen Republik, den Frieden, die Menschlichkeit und Mensohenreohte, Verbrechen gegen die Deutsch Demokratisch Republik oder anderer schwerer Straftaten beschuldigt werden, erhöhen - die Sicherheit und Ordnung der Untersuchungahaftanstalt stören oder beeinträchtigen würden, Daraus folgt: Die Kategorie Beweismittel wird er Arbeit weiter gefaßt als in der Strafprozeßordnung.

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